In unserer stets komplexer und dynamischer werdenden Welt stehen wir immer häufiger Herausforderungen gegenüber, deren Variablen und Einflussfaktoren uns zu einem großen Teil unbekannt sind. Doch wie gehen wir mit dieser Unsicherheit um? Eine Herangehensweise stellt der Effectuation Ansatz dar. Detlev Trapp hat Gunter Gruhser dazu befragt.
Eine der größten Herausforderungen für Unternehmen in der heutigen Zeit ist der Umgang mit Ungewissheit. Effectuation verspricht den Umgang mit nicht planbaren Herausforderungen zu verbessern. Was genau versteckt sich hinter dem Ansatz?
Effectuation zu verwenden und danach zu handeln macht immer dann Sinn, wenn man mit einer großen Anzahl von Unbekannten rechnen muss, ob in Projekten oder individuell. Denn diese Ungewissheit, die sich aus den Unbekannten ergibt, erfordert genau das Gegenteil von dem, was wir klassisch in der Schule, Ausbildung und Uni gelernt haben.
Ist das jetzt einfach ein neues Modewort oder verbirgt sich mehr dahinter?
Der Effectuation Ansatz beruht auf Forschungsergebnissen aus der Entrepreneurship-Forschung. Dabei wurden von Prof. Saras D. Sarasvathy erfahrene und erfolgreiche Gründer und Unternehmer in einer Langzeitstudie befragt. Es galt dabei herauszufinden, wie diese vorgegangen sind, um als Gründer erfolgreich zu werden. Insofern ist das keinesfalls ein neuer Hype, sondern eher einer der wenigen agilen Ansätze, die auf langjährigen empirischen Forschungsergebnissen basieren.
Was genau ist denn nun so agil an Effectuation und wie muss ich mir den Ansatz vorstellen?
Die Agilität besteht bei Effectuation in der radikalen Abkehr von der vorausschauenden kausalen Planung und steht damit diametral unserem bisherigen betriebswirtschaftlichen Verständnis entgegen. Der Prozess ist zyklisch, stark iterativ und zirkulär angelegt und besteht aus einer Abfolge von Schritten, bei denen die Handlungsorientierung im Vordergrund steht. Dabei gibt es etliche Prinzipien, eine Art Framework nach denen vorgegangen wird.
Stark vereinfacht, nehmen wir als Beispiel das Kochen: Der klassische Ansatz wäre zu entscheiden, was man kochen will, ein Kochbuch zu konsultieren, eine Einkaufsliste zu schreiben, genau das dann einzukaufen und dann so zu kochen. Bei Effectuation würde das bedeuten: Erst zu schauen, was im Haus an Kochbarem vorhanden ist, und dann zu schauen, was ich damit kochen kann und das dann auch zu tun.
Das bedeutet, Effectuation propagiert den Abschied von der klassischen Planung und Zielorientierung?
Einerseits stimmt das, andererseits aber auch nicht. Effectuation bietet eine Methodik, die für den Umgang mit Ungewissheit weiterhilft. Das bedeutet aber nicht, dass in Bereichen, in denen viele Variablen bekannt sind, klassische Vorgehensweisen nicht passen.
Wenn ich mich als Unternehmen für den Ansatz interessiere, welche konkreten Anwendungsfelder und Vorgehensweisen gibt es dafür?
Es gibt eine ganze Reihe von möglichen Ansatzpunkten. Auf individueller Ebene kann man durch die konkrete Anwendung der Systematik z.B. das eigene Repertoire im Umgang mit Ungewissheit erweitern und Denkmuster bspw. im Coaching aufbrechen. Für Teams ist der Ansatz sehr gut geeignet, um in schwierigen oder komplexen Situationen handlungsfähig zu werden. Das geschieht dann in einem moderierten Teamworkshop. Und ganz generell ist die Auseinandersetzung im Rahmen von Qualifizierungen oder Lernimpulsen eine prima Chance, das Denken stärker in Richtung Unternehmertum und Agilität zu verändern, was sich erfahrungsgemäß dann in einer gesteigerten Agilität der Organisation auszahlen wird.