Insider statt Bewerber
Zappos schafft die Stellenanzeige ab

Zappos gilt vielen in puncto Unternehmenskultur und Organisationsentwicklung schon lange als leuchtendes Vorbild für ein modernes Unternehmen. Das hat vor allem mit dem unglaublichen Tempo zu tun, in dem der US-Onlineshop innoviert. Innovation bei Zappos – fast schon ein alter Schuh. Die letzte Meldung ist dennoch etwas Besonderes.

Mit alten Strukturen brechen

Nachdem Zappos Anfang des Jahres den Bossen “goodbye” gesagt hat und im Zuge der Umsetzung von Holacracy® als neuem Betriebssystem der Organisation auf Jobtitel, klassische Manager und generell alle althergebrachten Strukturen verzichten will, stehen nun die guten, alten Stellenausschreibungen auf der Abschussliste.

Statt Bewerber durch statische Stellenausschreibungen und oberflächliche Absagen zu verlieren, schafft man lieber gleich das ganze System der Stellenausschreibungen ab und bietet am Unternehmen interessierten Menschen die Gelegenheit “Insider” zu werden. So bleiben Bewerber als Insider dem Unternehmen auch dann nahe, wenn es aktuell keine freie Position zu besetzen gibt.

Das Bessere ist der Feind des Guten

Die Alternative zur Stellenbeschreibung und dem klassischen Bewerbermanagement lautet für Zappos also kontinuierlicher Dialog mit Insidern. Jeder, der sich für Zappos als Unternehmen und potentiellen Arbeitgeber interessiert kann auf der Website Insider für ein oder mehrere Teams, wie bspw. Marketing oder Creative Services werden und erhält ab diesem Moment tiefergehende Informationen über das Unternehmen und die entsprechenden Teams. Gleichzeitig ist man Teil eines Pools, auf den die Zappos-Recruiter zugreifen können. Um diese noch stärker auf sich aufmerksam zu machen empfiehlt das Unternehmen neben der direkten Ansprache der Recruiter über Twitter & Co. auch ein Motivationsschreiben – in Form eines Videos. Geplant sind darüber hinaus noch Google Hangouts über die Insider, Recruiter und Zappos-Mitarbeiter per Videokonferenz in Kontakt kommen können.

Annäherung auf Augenhöhe statt Abfertigung

So versucht das Unternehmen aus einem formalen Bewerbungsprocedere einen informellen Dialog zu machen, der stärker auf Persönlichkeit und Unternehmenskultur abstellt. Das ermöglicht Annäherung auf Augenhöhe statt Abfertigung über schlecht verzahnte HR-Prozesse, die Bewerber unnötig abschrecken und potentiell der Reputation des Unternehmens schaden. Eine Entwicklung weg von dieser Praxis, hin zu einem organischeren Vorgehen ist dabei etwas, das nicht nur zur Unternehmenskultur von Zappos passt, sondern auch zu wesentlichen Prinzipien von Holacracy®. Das vielleicht zentralste dieser Prinzipien ist die Betonung des Sinn und Zwecks (‘purpose’) als strukturgebendes Element der Arbeit und Organisation. Diese Sinnfrage stellt sich durchaus bei Stellenausschreibungen, insbesondere wenn man sich ansieht, welche Kollateralschäden einem Unternehmen entstehen können, wenn die damit verbundenen Prozesse allzu mechanistisch und losgelöst voneinander ablaufen. Kaum ein Bewerber der vielzitierten Generation Y hat heute Verständnis dafür.

Menschen gewinnen

Dabei ist Personalgewinnung schon ein sehr schöner Hinweis auf den eigentlichen Sinn all dieser Maßnahmen. Unternehmen möchten potentielles Personal für sich gewinnen. Aber einen Menschen für sich zu gewinnen ist eine Kunst. Dafür reicht es nicht, alles formal richtig zu machen. Es muss in ehrlicher Sympathie münden und die braucht Aufrichtigkeit und manchmal etwas Zeit. Wenn ich einen Bewerber also nicht als Bittsteller und schlicht potentielle Personalressource betrachte, sondern als einen Menschen, den es für das Unternehmen, für das er oder sie sich interessiert zu gewinnen gilt, dann können plötzlich ganz andere Dinge wichtig oder unwichtig werden. Dann werden Stellenbeschreibungen ersetzbar und die möglichen Kollegen als Team vorzustellen wird viel wichtiger.

Bei Zappos hat man sich anscheinend genau diese Fragen gestellt und das Ergebnis ist aus meiner Sicht nicht nur wegweisend für zentrale Themen in Unternehmensführung und HR, sondern deutet auch auf eine zügige Entwicklung von Zappos zur Holacracy hin. Schön zu sehen, dass es auch ohne Stellenausschreibungen geht.

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Sebastian Luges besonderes Interesse gilt der Gestaltung von Kommunikations- und Dialogmaßnahmen rund um Change-Themen.

Sebastian Luge

Berater

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