OKRs beim DFB: Zurück an die Weltspitze!
Objectives und Key Results bei der DFB-Direktion Nationalmannschaften und Akademie
„Zurück an die Weltspitze“ ist das Ziel der DFB-Direktion Nationalmannschaften und Akademie und sollte bei der EM und den Olympischen Spielen sportlich unter Beweis gestellt werden. Doch die Corona-Pandemie und der Lockdown haben die Geschichte für das Jahr 2020 umgeschrieben. Dennoch haben Oliver Bierhoff und sein Führungsteam konsequent an der Strategieumsetzung gearbeitet und beschlossen, dafür den OKR-Ansatz (Objectives und Key Results) zu nutzen.
Die ersten Schritte
Nach dem Strategieentwicklungsprozess im Vorjahr sollte die neue Strategie nun schnell und effektiv umgesetzt werden. Dabei sollte die Transparenz der Ziele der einzelnen Abteilungen erhöht und die Vernetzung der Teams untereinander verbessert werden. Darüber hinaus sollte ein wirksames Zielemanagement zu einer insgesamt besseren Fokussierung führen, so dass die wirklich wichtigen Themen priorisiert werden. Das Führungsteam und ein weiteres Team in der DFB-Akademie pilotierten den OKR-Ansatz und begannen mit der Formulierung und Umsetzung der jeweiligen OKRs. Als Programm Lead begleitete Roland Esterle von Anfang an, gemeinsam mit weiteren engagierten Kollegen, die Pilotprojekte, die sogenannten "Intensivspielwiesen". Die ersten Erfahrungen bestärkten die Absicht, den Ansatz in der gesamten Direktion auszurollen und in allen Teams gleichermaßen zu nutzen.
Warten, bis die Krise vorüber ist?
Zeitgleich mit der Entscheidung, die OKRs mit externer Unterstützung direktionsweit auszurollen begann die Corona-Krise. Natürlich kam die Frage auf, ob jetzt wirklich ein guter Zeitpunkt sei, das Thema OKR jetzt anzugehen. Doch wenn nicht jetzt, wann dann? Gerade in einem Moment, in dem sich die Rahmenbedingungen stark verändern (z.B. durch eine Verschiebung der EM 2020 in den Sommer 2021) und ein hohes Maß an Unsicherheit über den weiteren Verlauf des Jahres besteht, lohnt es sich, auf eine Dynamisierung der Steuerung zu setzen.
OKRs beim DFB
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JETZT DOWNLOADENNach einem Corona-Update der Strategie entschied sich der Führungskreis dann auch dazu, die entsprechende Anpassung der Bereichs- und Abteilungsziele direkt mit der OKR-Methode durchzuführen. Learning by doing. Und das auch noch remote mit virtuellen Workshops und aus dem Home-Office heraus.
OKR Workshop mit dem Führungsteam
Um in den weiteren Rollout einzusteigen, wurde zunächst ein virtueller Workshop mit dem Führungsteam durchgeführt. Sinn und Zweck war es, alle im Team auf den gleichen Stand bezüglich OKR zu bringen, Erfahrungen auszutauschen und offene Fragen zu klären. Zu Beginn wurden die OKR durchaus kritisch diskutiert und hinterfragt. Diskutierte Fragen waren zum Beispiel: Was bilden wir mit OKRs ab, operative und/ oder strategische Themen? Welchen „Mehraufwand“ bedeutet OKR für uns und unsere Teams? Hilft uns der Ansatz wirklich weiter? Der Austausch vertiefte das Wissen und überzeugte schlussendlich das Führungsteam, bis zum Ende des Jahres mit dem Ansatz zu experimentieren. Sollte sich zum Ende des Jahres herausstellen, dass die gewünschten Effekte (Transparenz, Vernetzung und Fokus) nicht eintreten, dann würde der Ansatz nicht weiterverfolgt werden. Ein ergebnisoffenes Vorgehen also. Nach diesem Commitment wurde die Strategieanpassung, welche sich durch Corona,
Lockdown und die Auswirkungen daraus ergab, besprochen: Verschiebung der Europameisterschaft und der Olympischen Spiele, Kontaktsperren und Spielausfälle, Arbeit der Kolleginnen und Kollegen von zu Hause aus und weitere, zentrale Themen. Die bereits im Vorfeld des Workshops entworfenen OKR für das zweite Quartal wurden für die einzelnen Bereiche präsentiert und entsprechend angepasst. Identifizierte Alignmentbedarfe wurden in den Blick genommen und Termine für eine detailliertere Abstimmung der Ziele festgelegt.
OKR-Workshops in den Teams
Für den Rollout in den Bereichen und Abteilungen wurden gemeinsam mit dem Programm Lead drei ca. fünfstündige Online-Workshops konzipiert. Die Workshops dienten dazu, allen Mitarbeiter/innen die Grundlagen des OKR-Ansatzes zu vermitteln und insgesamt ein einheitliches Verständnis herzustellen. Dies ist wichtig, da der OKR-Ansatz als open source Ansatz je nach Organisation unterschiedlich gelebt werden kann.
Neben grundlegendem Input zu dem OKR-Ansatz von cidpartners, erläuterten die Führungskräfte, warum man sich für OKR entschieden hat, was die strategischen Prioritäten der Direktion sind und welche OKR für das anstehende Quartal daraus für die Bereiche und Teams abgeleitet wurden. Dieser inhaltliche Deep Dive war für viele TeilnehmerInnen sehr spannend und motivierend und zeigte, dass über strategische Themen oft zu wenig gesprochen wird. Die Entwürfe der Abteilungs-OKR wurden vertiefend diskutiert und Abstimmungsbedarfe identifiziert und angegangen.
Der OKR-Rollout wurde in einer sehr herausfordernden und dynamischen Zeit beschlossen und umgesetzt. Für den Erfolg dieses Projekt sind aus unserer Erfahrung einige Faktoren entscheidend.
Erfolgsfaktoren
Corona? Jetzt erst recht
Rund um die operativen Herausforderungen in der Krisensituation bildete die Diskussion der strategischen Ausrichtung und der Quartalsziele einen guten Reflexionspunkt. Insbesondere der Austausch und die Abstimmung zwischen den Bereichen und Abteilungen und über Hierarchiegrenzen hinweg war in dieser noch nie dagewesenen Situation sehr wertvoll.
Undogmatischer Ansatz
Zu den wichtigsten Faktoren für die gelungene Einführung des OKR-Ansatzes zählte die undogmatische Herangehensweise. Zu Beginn wurde klar kommuniziert, was mit dem Ansatz erreicht werden soll – und was auch nicht. Zudem wurde allen Beteiligten deutlich gemacht, dass das erste Jahr eine Testphase ist, die zum Lernen und Experimentieren dient und dass der Ansatz beweisen muss, dass er hält, was er verspricht. In Retrospektiven wurde gerade dieser Aspekt häufig in den Blick genommen und der weitere Prozessverlauf diesbezüglich gestaltet.
Flexibilität in Zeiten der Krise
Inhaltlich trug zum Erfolg bei, dass die Anpassung der Jahresziele und der daraus resultierenden OKR frühzeitig geschah, um direkt auf die Auswirkungen der Corona-Krise zu reagieren. Diese schufen Orientierung und eine gemeinsame Ausrichtung trotz Arbeit auf Distanz.
Echte Zusammenarbeit im Home-Office
Die Online-Workshops bewirkten, ganz nebenbei, das Erproben von virtuellen Workshopformaten und Tools (z.B. des Whiteboard-Tools Miro). Gleichzeitig schufen sie Raum für ein Zusammenkommen, was sich in den Corona-Monaten als sehr wertvoll erwies.
Interview mit Programm-Lead Roland Esterle zu Learnings aus dem bisherigen Rollout
Roland, schön, dass wir die Gelegenheit haben, den gemeinsamen Prozess zu reflektieren. Kannst Du uns die DFB-Direktion "Nationalmannschaften und Akademie" und deine Funktion kurz vorstellen?
Die Direktion Nationalmannschaften und Akademie ist seit 2018 ein zentraler Bestandteil in der Struktur des Verbandes. Mit der Umstrukturierung der Gesamtorganisation ist der Spitzenfußball im DFB erstmals in eine Hand gegeben worden. Oliver Bierhoff verantwortet seither nicht nur DIE MANNSCHAFT, sondern auch alle U-Mannschaften, die A-Nationalmannschaft der Frauen sowie die Traineraus- und -weiterbildung, genauso wie die Talentförderung und den neuen Bereich in der DFB-Akademie „Performance, Technologie und Innovation“.
Als Referent des Direktors unterstütze ich ihn und seine Direct Reports seit über zwei Jahren insbesondere in der Entwicklung und Umsetzung der Strategie. In diesem Zusammenhang besteht meine Rolle als Programm-Lead darin, den OKR-Einführungsprozess für die gesamte Direktion zu steuern. Das beinhaltet u.a., den OKR-Ansatz allen MitarbeiterInnen näher zu bringen, das Wissen möglichst auf mehrere Schultern zu verteilen und dabei trotzdem im Blick zu behalten, dass die OKRs aus unserer Gesamtstrategie abgeleitet sind bzw. auf das Big Picture einzahlen.
Warum habt Ihr Euch in der Direktion Nationalmannschaften und Akademie dazu entschieden, OKRs einzuführen bzw. zu testen?
Um die damals neuformierte Direktion mit über 130 MitarbeiterInnen auf einen gemeinsamen Weg auszurichten, hat Oliver Bierhoff mit seinem Führungsteam ein strategisches Leitbild entwickelt. Es basiert auf einem gemeinsamen Selbstverständnis und adressiert klare strategische Ziele bis 2022. Das Ganze steht unter der Maxime „Zurück an die Weltspitze“. OKRs sollen uns nun helfen, unsere Strategie noch sichtbarer und die Ziele greifbarer zu machen und alle MitarbeiterInnen darin aktiv einzubinden.
Wir sind der Überzeugung, dass durch eine offene Kommunikations- und Feedbackkultur sowie transparente und wertschätzende Führung die Direktion noch stärker zusammenwächst. Daher testen wir aktuell, ob OKR das richtige Framework für unsere Arbeit sein kann und betrachten dieses Jahr als Pilotphase. Wir wollen gemeinsam ausprobieren und lernen.
Was habt ihr auf dem Weg bis hierhin gelernt?
Im bisherigen Prozess haben wir gelernt, dass sich jeder damit beschäftigen muss, um es besser kennenzulernen und beurteilen zu können. Testen heißt machen – möglichst spielerisch, aber trotzdem verbindlich. Die Learnings sind für jede Organisation sicherlich andere bzw. unterschiedlich gewichtet, für uns war der Aha-Effekt der gesamten Belegschaft wichtig, warum wir OKRs testen und welchen Mehrwert uns das stiften kann:
- Durch Priorisierung schaffen wir Fokus für jede(n) Einzelne(n) und Klarheit wie wir unsere Strategie in die Umsetzung bringen und herunterbrechen.
- Durch Transparenz der Ziele und Aktivitäten fördern wir die Vernetzung untereinander. Dazu hilft uns ein gutes Online-Tool.
- Durch regelmäßige Retros & Reviews in kürzeren Abständen wollen wir unsere Strategie besser bewerten und kollektiv lernen.
Und was waren bisher die größten Herausforderungen im Prozess?
Herausforderungen entstehen auf unterschiedlichen Ebenen – das ist z.B. ein Thema, worin uns cidpartners sehr gut unterstützt. Auf inhaltlicher Ebene geht es zunächst mal darum, die Regeln und Prinzipien zu verstehen, wie Objectives und Key Results formuliert werden – aber sich trotzdem nicht in der Schönheit der Formulierungen zu verlieren.
Daneben gilt es auf prozessualer Ebene, die richtigen Schritte zu befolgen und darauf zu achten, dass jedem die Rollen klar sind. Und schließlich geht es bei Veränderungen wie die Einführung bzw. Testung von OKR auch um die Herausforderungen auf der Organisations- bzw. Kulturebene.
Die größte Herausforderung war hier sicherlich, dass es für uns alle etwas Neues war und im Kontext eines Sportverbandes so noch nicht ausprobiert wurde. OKR haben ihren Ursprung im Silicon Valley und demensprechend sind das Rahmenwerk und seine Begriffe formuliert. Das entspricht auf den ersten Blick eher nicht der Sprache der Fußballtrainer und der MitarbeiterInnen im sportlichen Bereich des DFB. Aber wir hatten in der gesamten Direktion die Offenheit, uns damit konstruktiv und ergebnisoffen auseinanderzusetzen. Wir schauen bewusst auch über den Tellerrand des Fußballs hinaus. Gerade unser Direktor Oliver Bierhoff lebt das immer wieder vor.
Die Pilotphase ist bei uns noch voll im Gange und bisher haben wir für jede Herausforderung und Hürde eine adäquate Lösung gefunden.
Wie hat die ausschließlich onlinebasierte / virtuelle Prozessbegleitung mit den unterschiedlichen Workshopformaten funktioniert?
Das war z.B. eine dieser Hürden, dass wir den Rollout-Prozess in der Direktion aufgrund der verpflichtenden Zeit im Homeoffice komplett onlinebasiert im virtuellen Raum stattfinden lassen mussten. Aber das war nur eine verhältnismäßig kleine Herausforderung des DFB im Rahmen der Covid-19-Pandemie.
Trotz der Corona-Situation hatte sich das Führungsteam konsequenterweise dafür entschieden, den OKR-Prozess weiterzugehen und uns mit externer Expertise begleiten zu lassen. Cidpartners hat uns dabei nicht nur fachlich, sondern auch methodisch und in den Online-Workshops gut beraten. Es war kurzweilig und wir haben gute Ergebnisse erzielt.
Neben den Microsoft O365 Tools, wie z.B. Teams, die wir im DFB schon seit ca. 2 Jahren nutzen, haben wir neue praktische Hilfsmittel und Tools für virtuelle Workshops kennengelernt. Wie die meisten unserer Tätigkeiten in dieser Zeit im Homeoffice, funktioniert auch der remote OKR-Prozess bisher ganz gut.
Vielen Dank Roland, für das Interview! Und auf eurem Weg mit den OKR weiterhin viel Erfolg!
Ausblick auf den weiteren Prozess
Im ersten Quartal begann die Pilotierung des OKR-Ansatzes im Führungsteam und in einzelnen Abteilungen. Im zweiten Quartal erfolgte der Rollout auf alle Abteilungen. Beide Quartale bilden ein gutes Erfahrungsfundament bei gleichzeitig undogmatischem Umgang mit dem Ansatz und ausreichend Zeit zum Experimentieren und Lernen. Ab dem dritten Quartal soll ein übergreifend abgestimmter und getakteter Prozess starten, wie Ihn das OKR-Framework vorsieht:
- Entwurf der übergeordneten OKR für die Direktion
- Ableitung und Entwurf der Bereichs- und Abteilungs-OKR
- Abstimmung der OKR (vertikal und horizontal) in geeigneten Formaten
- Vollständige Nutzung der Software "Workpath" zur transparenten Dokumentation und zum Tracking des Fortschritts
- Regelmäßige OKR – Check-Ins in den einzelnen Abteilungen
- Wo gewünscht und sinnvoll Ableitung von individuellen OKR
- Reviews und Retrospektiven am Ende des Quartals
Im dritten und im vierten Quartal muss der Ansatz beweisen, dass die gewünschten Ziele damit besser erreicht werden, sonst wird er verworfen. Aktuell herrscht Zuversicht, dass die gewünschten Effekte eintreten.
Um den weiteren Prozess gut zu begleiten, werden "OKR-Champions" geschult, auch dies geschieht rein virtuell in halbtägigen Sessions. Diese unterstützen dann in den Teams die Arbeit mit dem OKR-Ansatz.
Ob der OKR-Ansatz auch in anderen Bereichen des DFB als Zielmanagementsystem ausgerollt werden kann, ist vorerst noch offengelassen und hängt von der Evaluation am Ende der Testphase ab. Auch der eine oder andere Bundesliga-Club beschäftigt sich seit kurzer Zeit mit dem OKR-Ansatz und ist mit der DFB-Direktion im Austausch, um gegenseitig von den Erfahrungen zu lernen.
OKR eignen sich auch in turbulenten Zeiten, um die Strategie gut umzusetzen
Insgesamt können wir aus unserer Erfahrung als Organisationsentwickler und Strategieberater vor allem eins sagen: Ein virtueller OKR-Rollout kann sehr kraftvoll sein.
Voraussetzung sind zuallererst die Offenheit und Flexibilität der Führungsmannschaft und der Teams. Und die Bereitschaft, sich auf neue Workshopformate und Denkweisen einzulassen. Dazu gehören auch kritische Nachfragen. Das ist normal und gut so, denn nur dann wird der Sinn und Zweck der Einführung eines solchen Ansatzes hinterfragt und kann anschließend geschärft werden. Wir wünschen der DFB-Direktion Nationalmannschaften und Akademie an dieser Stelle viel Erfolg und - selbstverständlich - eine gute Zielerreichung!