New Work in der Praxis – Erfolge und Herausforderungen bei Atruvia

CidPodcast zum Nachlesen: Reihe CidPractices, #Folge 04

In vielen Unternehmen hat die Coronapandemie das Arbeiten auf den Kopf gestellt und es war für viele ein guter Zeitpunkt, über die eigenen Führungsstrukturen und die Art der Zusammenarbeit neu nachzudenken. Das Thema New Work bekam damit eine unbekannte Medienpräsenz. Theresa Brambach, Beraterin bei cidpartners, spricht mit Marc Wagner und Maika-Alexander Stangenberg über die Transformationsreise von Atruvia sowie die Rolle von New Work dabei; wie die Umsetzung in der Praxis gelingt und welche Herausforderungen es gibt.

Theresa: Marc, Maika, ihr arbeitet bei Atruvia, einem der größten IT-Unternehmen in Deutschland, das speziell auf Banken zugeschnittene IT-Lösungen anbietet. Stellt Euch doch bitte vor und beantwortet die Frage, welche Perspektiven Ihr mitbringt.

Marc: Ich bin seit knapp zwei Jahren bei Atruvia und verantwortlich für einen Bereich, der sich Mitarbeiter Experience nennt. Das erkläre ich am besten direkt: Wir haben für uns die Vision formuliert, ein Arbeitsumfeld zu schaffen, in dem unsere Kolleginnen und Kollegen ihr Potenzial im Sinne des Unternehmens optimal entfalten und sich dabei zu 100 Prozent auf den externen Kunden konzentrieren können. Dazu verbinden wir in unserer Unit Mitarbeiter Experience klassische HR-Themen mit dem Thema physisches Arbeitsumfeld, also Immobilien, und mit Fragen, wie sollte die Organisation, wie sollten die Prozesse und die IT am besten aussehen. Und in meinen Verantwortungsbereich fällt auch das Thema Nachhaltigkeit, was mich sehr freut und was ja auch an Bedeutung gewinnt. Davor war ich rund 17 Jahre im Beratungsumfeld der Detecon tätig. Das ist eine Tochter der Deutschen Telekom, eine Management Technology Beratung. Da war ich für alle Themen rund um Innovation, sowohl Richtung Markt, aber insbesondere auch Richtung Organisation zuständig und habe mich viel mit dem Thema New Work beschäftigen dürfen. Ich habe dazu auch ein Buch geschrieben, mehrere Studien dazu gemacht und komme ganz ursprünglich aus dem Startup-Kontext. 1995 hatte ich mal eine Softwareentwicklungsfirma gegründet.

Maika: Ich bin jetzt gut fünf Jahren bei Atruvia und begleitet das Unternehmen durch die Transformation, verantwortet dort als Servicefeld-Lead Kommunikation und Marketing, was zum einen die Unternehmenskommunikation, also die interne und externe Kommunikation betrifft, das Product und Corporate Marketing, das Thema Marke und Events und mit Marc zusammen das Thema Nachhaltigkeit, da eher mit einer externen Stakeholder-Facette. Davor war ich rund zehn Jahre bei der Deutschen Telekom, in der Technologiekommunikation, dann im Energiebereich, bei ISTA und zuletzt bei United Internet, 1&1, gmx, web.de und habe dort Kommunikation und Marke mit betreut.

Theresa: Dann wollen wir kurz auf Atruvia schauen und darauf, was Ihr eigentlich macht. Ihr seid Experten für alle Themen rund um Banking, vom Rechenzentrumsbetrieb über Onlinebanking-Verfahren bis hin zur Beratung bei zukunftsweisenden Innovationen. Ihr seid Teil der genossenschaftlichen Finanzgruppe der Volks- und Raiffeisenbanken und habt rund 8.300 Mitarbeiter, wenn ich auf dem aktuellen Stand bin. Was hat Euch zu Atruvia gebracht?

Maika: Ich habe in meinen vorherigen Stationen schon viel mit dem Thema Change Digitalisierung zu tun gehabt. Und wenn es eine Branche gerade trifft, was das Thema Digitalisierung angeht, auch in der zeitlichen Abfolge und der Dringlichkeit, dann ist es vor allen Dingen die Finanz- und Bankenbranche, die ja unter erheblichen Druck steht, sich zu ändern. Entsprechend trifft es auch deren IT-Dienstleister. Während IT früher bei Banken eher eine Nebenrolle spielte oder eine Unterstützerfunktion hatte, entscheidet die IT heute über die Zukunft der Banken. Dementsprechend war auch der Veränderungsdruck für uns sehr groß, sich zu ändern. Und deswegen war es für mich eine große Herausforderung, mit der Kommunikation und dem Marketing hier vorbereitend tätig zu sein, weil deutlich wurde, dass sich das Unternehmen auf einer Transformationsreise befindet. Und gerade die Kommunikation war natürlich berufen, Schritte vorzubereiten und das Unternehmen darauf vorzubereiten, was kommt. Ich kann sagen, dass es wirklich eine spannende Reise in den letzten drei Jahren war, mit vielen Facetten, die wir durchgemacht haben. Das betraf die veränderte Strategie nach anderen Strukturen, im anderen Modell, wie wir zusammenarbeiten, bis hin zu einer neuen Marke oder wie wir auch vor Ort an den Standorten arbeiten. Deswegen sitzen wir ja heute zusammen, um über diese große Challenge zu sprechen. Und ich darf sagen, es war eine Freude, das mit begleiten zu dürfen.

Theresa: Marc, wie sieht es bei Dir aus? Was hat Dich zu Atruvia gebracht?

Marc: Ich habe 2015 oder 2016 in den USA, bei einer Value Journey Marc Levy kennengelernt, den damaligen Chief Employee Experience Officer von Airbnb und habe mich viel mit dem Thema beschäftigt, wie sich Organisationen und People-Bereich in der Zukunft aufstellen sollten. Diese ganzheitliche Sicht auf das Thema Mensch aus der Perspektive, Organisation, Prozesse, Digitalisierung, Arbeitsumfeld fand ich in den USA damals sehr faszinierend und habe zu den Themen ja auch schon Beratung gemacht. Anfang 2020 wurde ich dann auf genau so eine Stelle der Employee Experience angesprochen, bei der damals Fiducia & GAD, heute Atruvia. Ich muss gestehen, ich hatte keinen blassen Schimmer, was Fiducia & GAD ist. Ich habe dann erst im Gespräch mit dem Vorstand Jörg Staff erfahren, dass es sich um einen genossenschaftlichen Verbund handelt, der vieles zu den Themen Nachhaltigkeit und Werteverständnis mitbringt. Und habe mich dann vor zwei Jahren darauf eingelassen.

WIE DEFINIERST DU NEW WORK?

Theresa: Bevor wir tiefer in die Transformationsreise bei Atruvia einsteigen, noch eine Frage an Euch persönlich: Wie definiert Ihr New Work? Welches Bild habt Ihr?

Maika: Grundsätzlich muss ich sagen, dass ich den Begriff New Work als Oberbegriff etwas skeptisch sehe. Ich glaube, der Kern von New Work ist, dass sich die Art und Weise, wie wir zusammenarbeiten und wo wir zusammenarbeiten, verändert. Aber das wirklich Zentrale ist ja der Mindset, der sich auch geändert hat. Was bedeutet Arbeiten heutzutage eigentlich? Und das geht ja weit über so einen reinen Personalfokus hinaus. Da gehören auch Komponenten rein wie Kultur und natürlich Kommunikation. Das heißt, es geht darum, dass man auf Augenhöhe zusammenarbeitet. Dabei ist bei der Agilität ein ganz zentraler Faktor. Und Agilität heißt ja nur zu 20 Prozent Prozesse. Viele denken ja, New Work heißt, schöne schicke Möbel und dann war's das. Aber es geht ja zu 80 Prozent bei Agilität um Mindset-Fragen, um Offenheit, Eigenständigkeit, um im Team zusammenzuarbeiten. Und ich glaube, das ist das zentrale Element, was es so attraktiv macht, sich mit dem Thema zu beschäftigen.

Deswegen sind wir bei Atruvia intensiv dran gewesen, die kulturellen Themen nach vorne zu ziehen. Und die Räumlichkeiten stehen dann erst am Ende und sind eine begleitende Sache, die dann kommt.

Viele denken ja, New Work heißt, schöne schicke Möbel und dann war's das. Aber es geht ja zu 80 Prozent bei Agilität um Mindset-Fragen, um Offenheit, Eigenständigkeit, um im Team zusammenzuarbeiten

Marc: Ich habe mich aus der IT und Finanzwelt kommend mit dem HR-Thema beschäftigt. Und da schwappte 2013/14 so eine Welle hoch, die sich stark mit der Frage beschäftigt hat: Wie sollte man Arbeit gestalten? Wir haben das zu Beginn Smart Working genannt. Uns stellte sich die Frage, wie können wir damit vermarktungsmäßig rausgehen und in welchen Gesamtkontext bringen wir das? Jemand gab mir dann den Impuls, das New Work zu nennen. Als wir uns dann damit beschäftigt haben, wurde klar, das kommt aus einem ganz anderen Kontext.

Frithjof Bergmann fragt ja, wie sieht ein postkapitalistisches System aus, nachdem man zu der Erkenntnis gekommen ist, dass Kommunismus nicht funktioniert und der Kapitalismus auch an seine Grenzen stößt. Und was kommt danach? Seine Fragestellung war stark getrieben durch die damals startende Digitalisierung. Und Frithjof Bergmanns Fazit war, wir brauchen etwas, was einem wirklich wichtig ist. Das hat ja den Begriff New Work geprägt und ich glaube, mittlerweile ist das große Problem, dass der Begriff inflationär für jede Art von Organisation, Arbeitssystem, Raumgestaltung etc. verwendet wird. Darum bin ich der Meinung, man sollte sich nicht so sehr an den Begriff klammern, sondern sich eher zwei Fragen stellen:

  • Was ist der Treiber dafür, wie wir zusammenarbeiten und Wertschöpfung gestalten? Was ist der Bedarf in Richtung einer neuen Arbeit?
  • Und was sind die Möglichkeiten und die Chance, die wir jetzt neu bekommen haben, Arbeit anders und neu zu gestalten?

Es gibt also eine Notwendigkeit und zugleich die Chance, Arbeit neu zu gestalten. Der Name ist nebensächlich - New Work, Future of Work, New normal.

Es gibt eine Notwendigkeit und zugleich die Chance, Arbeit neu zu gestalten. [...] Der Name ist nebensächlich

Und ein letzter Aspekt, der durch die Coronapandemie wieder stärker wurde: Diese gesellschaftliche Perspektive, die Frithjof Bergmann aufgeworfen hatte: Ich denke es geht darum, die Perspektive der Unternehmensorganisation mit einer gesellschaftlichen, gesamtsystemischen Perspektive zu verbinden. Es geht also um die Frage: Wie sieht eine ganzheitliche Perspektive auf das Thema Arbeit aus?

ERFOLGSFAKTOREN UND STOLPERSTEINE DER TRANSFORMATIONSREISE BEI ATRUVIA

Theresa: Dann wollen wir jetzt den Fokus auf Eure Transformationsreise richten. Ihr habt Euch ja in den letzten Jahren quasi neu erfunden und diese Reise mitgestaltet vom klassischen IT-Dienstleister hin zu einer agilen Plattform für Unternehmen. Maika, Du sagtest schon, dass dabei ganz umfassend Strategien, Rollen, Zusammenarbeit, Führung überdacht und neugestaltet wurden. Was waren da aus der Perspektive Marke und Kommunikation Erfolgsfaktoren oder auch Stolpersteine?

Maika: Ich hole da kurz aus, warum wir uns eigentlich verändert haben. Die gesamte Bankenlandschaft hat sich ja verändert. Die Kunden gehen nicht mehr so häufig in die Bank, die Bank findet heutzutage eigentlich auf dem Smartphone statt. Das brachte auch den Rollenwechsel in der IT: von der Unterstützungsfunktion zu dem entscheidenden Faktor über den Erfolg der Bank in Zukunft.

Das hat den ganzen Transformationsprozess mit ausgezeichnet, dass wir einen hohen Grad von Partizipation und Involvement der Mitarbeitenden hatten

Intern standen wir zeitgleich vor der Herausforderung, dass wir zahlreiche Fusionen hinter uns hatten. Was zu wenig Wir-Gefühl führte und auch zu einer sehr unterschiedlichen Kultur an den Standorten. Und wir hatten teilweise eine recht autoritäre Art und Weise zu führen und zu wenig Fokus auf den Kunden, so dass wir zum Beispiel lange Entwicklungszyklen hatten, lange Freigabeprozesse. In all dem standen wir vor der Frage, wie wir uns ändern können:

  • Wie werden wir schneller und innovationsfreudiger?
  • Wie können wir den Kunden mehr in den Fokus stellen?

Für uns war damals klar, dass das nicht nur eine graduelle Änderung sein kann, nicht nur irgendeine Kosmetik. Wir mussten uns komplett ändern, einen radikalen Schnitt machen. Dafür waren zwei Faktoren wichtig: Zum einen, dass wir die Kunden in dieser Veränderung integrieren wollten. Zum anderen, dass wir die Mitarbeitenden integrieren, statt top-down irgendwas überzustülpen. Das hat den ganzen Transformationsprozess mit ausgezeichnet, dass wir einen hohen Grad von Partizipation und Involvement der Mitarbeitenden hatten. Das war natürlich eine Riesenaufgabe für die Kommunikation, diese Voraussetzung und dieses Versprechen, was wir auch gegeben hatten von Seiten des Vorstandes und des Top Managements, dann auch einzuhalten.

Was dann kam, waren vier, fünf Schritte:

  • Die Entwicklung einer Vision, einer Strategie. Wo wollen wir eigentlich hin? Wie wollen wir die Bank der Zukunft künftig gestalten, gemeinsam mit unseren Kundinnen und Kunden, gemeinsam mit den Mitarbeitenden? Welchen Weg beschreiten wir? Und das haben wir ganz zu Anfang in der Vision klar gemacht. Eine Strategie, bei der auch die Kommunikation mit vielen Kolleginnen und Kollegen Teil war.
  • Der nächste Schritt war dann das Thema Kultur. Wie erreichen wir mehr Offenheit, mehr Durchlässigkeit? Wie erreichen wir einen Dialog auf Augenhöhe? Wie garantieren wir eigenverantwortliches Arbeiten oder die Bereitschaft, eigenverantwortlich arbeiten zu wollen? Da haben wir sehr viele Kommunikationsformate geschaffen, in denen es um Austausch ging, auch mal Kritik äußern zu dürfen, was das Thema Veränderung angeht. Gerade die Kolleginnen und Kollegen, die wirklich an einem Produkt arbeiten, können es meist am besten beurteilen, was läuft in Prozessen falsch. Das heißt, wir haben viele 100 Kolleginnen und Kollegen bei der Transformation in zahlreichen Initiativen und Sprints beteiligt.
  • Wir kamen dann zu einem neuen Arbeitsmodell, das auch nicht von der Stange kam, sondern wir haben uns einiges angeschaut, was auf dem Markt war. Wir haben dann ein adaptierte Spotify Modell mit agilen Elementen genutzt, aber vieles auch auf uns zugeschnitten und selbst entwickelt in entsprechenden Initiativen. Die Offenheit ging so weit, dass wir bei den Besetzungskonferenzen für die neuen Rollen, Träger, die wir haben, auch Mitarbeitende involviert haben und nicht nur Führungskräfte und die Arbeitnehmervertretung – also größtmögliche Transparenz statt einer Transformation im stillen Kämmerlein. Dafür ist Kommunikation unabdingbar. Das war für uns eine Herkulesaufgabe, das zu begleiten.
  • Und als nächsten Schritt wir sind jetzt knapp anderthalb Jahre nach Einführung des neuen Arbeitsmodell, das ja sehr stark auf Agilität setzt, haben wir zum 1. September letzten Jahres das Thema Marke mit der Änderung unseres Namens von Fiducia & GAD zu Atruvia angeschlossen. Und das war der richtige, zwangsläufige nächste Schritt, weil der neue Name diesen Neustart auch nach außen, aber auch zu einem gehörigen internen Anteil verdeutlichte.

Theresa: Marc, wie sieht die Transformation aus der Employer Experience Sicht aus? Wie hast Du das erlebt?

Marc: Als ich im Mai 2020 startete, hatte ich mein Schlüsselerlebnis bei der Besetzungskonferenz unter Beteiligung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Es war wirklich für mich ein grandioses Erlebnis, dass man nicht nur in dem typischen Leadership-Kreis sitzt und Leute auswählt, sondern dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zusammen mit der Mitbestimmung auf Augenhöhe die Besetzung vollziehen. Das ist aus meiner Sicht nicht nur ein kommunikativ extrem wichtiges Thema gewesen, sondern kulturell wichtig für die Akzeptanz der Besetzung der neuen Rollen. Das war mein erstes Erlebnis.

Und dann ist unser Bereich ja auch ein vom Schnitt her komplett neuer Bereich, weil wir Themen, die vorher in Einzelbereichen lagen, zusammengefasst haben: Immobilien, HR-Prozesse, Organisationsthemen, Nachhaltigkeit – all das haben wir gemeinsam wirklich neu aufgesetzt, um ein „Betriebssystem“ mit all diesen Facetten zur Verfügung zu stellen. Natürlich mussten wir Menschen mitnehmen, die aus klassischen Führungsstrukturen kommen und es gewohnt waren, in ihren Silos unterwegs zu sein und nicht zu Ende Sicht auf das, was wir Employee Experience nennen. Es ging um die Frage, wie wir diese Perspektivwechsel hinbekommen und am besten die vorhandenen Kompetenzen nutzen. Welche Rahmenbedingungen brauchen wir? Das betraf auch Technology and Data, also alles rund um Digitalisierung und IT. Das ist ein Prozess, in dem wir noch immer sind. Ich habe ein unglaublich diverses Leadership-Team, das fantastisch zusammenarbeitet, die Chemie stimmt. Und wir lernen immer weiter. Wir lernen übergreifende Synergien wirklich zu nutzen und ganzheitlich zu denken. Ich muss gestehen, ich habe anfangs unterschätzt, wie viel davon Kommunikation ist. Dinge auch wiederholt zu kommunizieren, damit wir sie verinnerlichen. Es dauert gefühlt sehr lange, bis sich etwas in der DNA verankert. Ich denke, wir sind auf einem guten Weg. Und wenn ich mir anschaue, wie radikal die Transformation ist, sind wir auf einem sehr erfolgreichen Weg.

Maika: Das Thema Marke spielt da eine große Rolle. Einen Markenwert oder New Work Prinzipien aufzuschreiben ist das eine. Wenn man das aber nicht gemeinsam erlebt, bleibt das im Präsentationsmodus. Das heißt, New Work und alles, was das bedeutet, heißt auch, dass die Mitarbeitenden erst jetzt ganz stark die Marke neu erleben werden. Wir drücken das auch in unserem Claim aus „Wir verbinden füreinander“.
Und das muss sich im Arbeitsalltag zeigen:

  • Erleben wir das wirklich Tag für Tag in der Kantine, in den Konferenzräumen, in den Räumlichkeiten, die wir neu bekommen?
  • Kriege ich wirklich so viel Freiraum für meine Arbeit, wie ich sie brauche? Kann ich eigenverantwortlich unterwegs sein?
  • Wie ist die Zusammenarbeit mit den neuen Rollenträgern?

Wir haben Hierarchien abgebaut, also vom Sie zum Du. Wir haben viel mehr Durchlässigkeit und das kulminiert in diesen New Work Formaten. Und ich glaube, wenn wir wieder an die Standorte komplett zurückkommen können und das wirklich leben, was wir in den letzten anderthalb, zwei Jahren auf den Weg gebracht haben, dann werden wir erst richtig alle mit Leben füllen, was wir geplant haben.

Theresa: Das heißt, Ihr beginnt erst, die Früchte dieser Reise zu ernten?

Maika: Es ist jetzt auch nicht so, dass wir hier irgendwelche Trauben pflücken und sagen, das wird jetzt das Paradies im Arbeitsleben. Ich glaube, wir haben auch noch einen weiten Weg vor uns. Man muss überzeugen, aber vor allen Dingen auch erleben. Änderung in Räumlichkeiten und viele andere Veränderungen lösen auch ein bisschen Angst aus oder Zurückhaltung. Da existiert eine große Bereitschaft, den nächsten Schritt zu gehen, auch anders zusammenzuarbeiten. Aber es gibt auch viele Fragen:

  • Habe ich genug Platz, ist es zu laut, kann ich konzentriert arbeiten, muss ich weit laufen?
  • Wo sitze ich denn?

Damit das möglichst gut gelingt, ist viel Organisation im Vorfeld nötig. Deswegen zolle ich großen Respekt für Marc und sein Team. Theoretisch ist das alles ganz schön, aber wenn wir wieder ein paar 1.000 Menschen am Standort haben? Da versuchen wir kommunikativ zu unterstützen.

Theresa: Lasst uns die unterschiedlichen Aspekte von New Work etwas vertiefen: Welche Stolpersteine habt Ihr konkret erlebt? Wie seid Ihr mit der Frage der Räumlichkeiten beispielsweise umgegangen?

Marc: Wenn wir das Thema Räumlichkeiten anschauen, wird im Moment an vielen Stellen die Frage gestellt, ob und wieviel Raumbedarf überhaupt da ist. Aus Effizienzsicht könnte man sagen, wir verkaufen alle unsere Gebäude und arbeiten von zu Hause. Hat ja in der Pandemie zwei Jahre auch funktioniert. Wir sind aber fest davon überzeugt, dass physische Zusammenarbeit ganz wichtig ist: Es ist für erfolgreiches Zusammenarbeiten essenziell, persönlich zusammenzukommen.

Wir sagen Stand heute, die Qualität der Zusammenkünfte wird eine andere sein. Während Treffen vor Corona eine gewisse Beliebigkeit hatten und spontane Treffen auf einen Kaffee im Büro sich abwechselten mit konzentrierter Einzelarbeit und größeren Meetings, haben wir nun eine Bewertungsebene eingebaut. Dabei geht es darum, immer wählen zu können, je nach Arbeitstyp, welche Form sich am besten eignet. Für eine oder einen kann das mobile Arbeiten, konzentriert allein zuhause, am geeignetsten sein. Andere haben zuhause keine guten Möglichkeiten des Rückzugs. Die kommen lieber ins Büro für konzentriertes Arbeiten. Dann gibt es die einfachen Abstimmungen, die funktionieren gut online über Teams. Aber wenn es um Innovationen geht, auch um die zufälligen Begegnungen, das kreative Miteinander, dann gibt es keinen Ersatz für das physische Aufeinandertreffen. Der zweite Punkt dazu ist das Teambuilding. Ich fand es in der Pandemie extrem schwierig, Teambuilding stattfinden zu lassen, gerade in unserer Situation. Wir arbeiten in einer neuen Struktur und müssen zusammenwachsen. Das gilt auch für die Führungsebene: Wie formen wir ein Leadership Team, wenn wir so selten persönlich zusammenkommen können, auch mal außerhalb der Arbeit? Das Feierabendgetränk, das zusammenschweißt und Vertrauen erzeugt – das gelingt meiner Ansicht nach nur durch persönliche Interaktion. Und ein letzter Punkt: Räumlichkeiten, das Arbeitsumfeld prägt ja die Identität eines Unternehmens mit und macht eine Marke und das, wofür eine Marke steht, ihre Markenwerte erlebbar. Unter all diesen Aspekten halte ich das physische Aufeinandertreffen weiterhin für extrem wichtig.

Maika: Eine Marke lebt ja erst durch Werte. Und im besten Fall hilft sie dabei, eine Wahl zu treffen für etwas. Die Marke erklärt das Warum eines Unternehmens, neudeutsch den „Purpose“. Und New Work gibt dazu die Antwort auf das Wie. Mit New Work machen wir unsere Marke erlebbar und das geht weit über die Räumlichkeiten hinaus. Und zu der Frage, wie gestalten wir das konkret: Das hat sehr viel mit Beteiligung zu tun. Natürlich kann auch nicht jedes Detail mit jedem Mitarbeitenden abgestimmt werden. Doch ich denke, man muss eine Vielzahl von Kolleginnen und Kollegen involvieren, um erfolgreich unterwegs zu sein. Die Bestätigung, wie wichtig das ist, erhalten wir in unseren regelmäßigen Mitarbeiterbefragungen. Unser Pulse Check zeigt, dass die Zustimmungsraten auf einem sehr guten Niveau sind. Die gehen auch immer mal wieder ein bisschen runter. Das ist das typische Tal der Tränen, durch das man läuft. Doch es verändert sich etwas und wir robben uns da auch gerade wieder raus.

Die Marke erklärt das Warum eines Unternehmens, neudeutsch den „Purpose“. Und New Work gibt dazu die Antwort auf das Wie

Theresa: Ihr habt uns geschildert, es ist nicht nur der Raum, auch nicht nur die Tools, sondern es braucht eine neue Kultur und das Mindset, das Zeit braucht zu entstehen. Gibt es noch weitere Facetten im Rahmen von New Work?

Maika: Eine Facette würde ich ganz gern noch ergänzen, das ist, warum wir das Ganze machen. Ein Ziel dieser ganzen Transformation ist ja, dass wir ein Leistungsversprechen in Richtung unserer Kunden geben, dass wir besser werden, dass wir für die digitale Bank der Zukunft stehen. Und dabei sind die Marke und das Thema New Work sichtbare Zeichen nach draußen. Damit zeigen wir, wir haben uns geändert und wir werden uns auch weiterhin ändern, um für unsere Kundinnen und Kunden unser Leistungsversprechen einzulösen. Das halte ich für sehr wichtig.

Wir haben uns geändert und wir werden uns auch weiterhin ändern, um für unsere Kundinnen und Kunden unser Leistungsversprechen einzulösen

Theresa: Wie baut Ihr das Thema Nachhaltigkeit da ein?

Marc: Wir nehmen das Thema sehr ernst und sind der festen Überzeugung, dass ökonomische, ökologische und soziale Nachhaltigkeit Hand in Hand gehen müssen. Ab dem Punkt, an dem ich mich intensiv mit dem Thema Nachhaltigkeit beschäftige, betrifft das natürlich meinen Purpose, wird Teil der unternehmerischen Vision, verankert sich in der DNA eines Unternehmens. Und auf lange Sicht lassen sich darüber sogar Kosten sparen. Das zeigt sich bei einer Marke wie Tesla, die keine Werbung mehr machen muss und Talente anzieht.
Daher glauben wir daran, dass es ganz wichtig ist, die Nachhaltigkeit im Unternehmenszweck zu verankern und das auch in alle Prozesse, Strukturen und in gelebtes Verhalten zu übertragen.

NEW WORK - DOS UND DONT’S

Theresa: Danke Euch für die spannenden Einblicke. Ich würde gern noch von Euch erfahren, was sind Eure Dos und Dont’s beim Thema New Work, beginnend mit den Dont’s.

Maika: Alles von oben zu bestimmen ist ein klares Don’t.

Marc: Sich zu wenig Zeit nehmen für die Transformation und zu erwarten, dass ganz schnell irgendwelche messbaren Effekte kommen. Ein zweiter Punkt: Widerstände und Kritik als etwas Negatives zu sehen, sie sind vielmehr Ausdruck davon, dass man eine radikale Veränderung durchläuft.

Theresa: Was sind die Dos, wo Ihr sagt: genau so.

Maika: Da muss ich ja Partizipation sagen. Und ich würde gern Mut ergänzen, mal das Unerwartete zu tun und Ungewöhnlichem auch Raum zu geben.

Marc: Zum Thema Mut möchte ich noch ergänzen, auch mal eine schnelle Entscheidung zu treffen, ohne alle Risiken bis ins kleinste Detail abgewogen zu haben. Denn, in der Struktur, die wir jetzt haben, gibt es immer die Möglichkeit, wieder anzupassen, aus Fehlern zu lernen und es dann besser zu machen, statt halt ewig lang an Konzepten zu feilen, bevor man loslegt.

Maika: Und es gibt keine Blaupause. Ich glaube, das haben wir auch gelernt. Man kann natürlich mit Beratern arbeiten und sich Impulse holen. Aber letztlich ist jede Organisation im Kern einzigartig und muss die Lösung mit den Mitarbeitenden selbst finden. Ich glaube, das war auch eine wichtige Erkenntnis von uns. Wir haben halt immer wieder adaptiert. Wir haben immer wieder geguckt, sind wir richtig unterwegs, uns gefragt, werden wir weiter besser? Auf diesem Weg befinden wir uns gerade.

NEW WORK IN DER ZUKUNFT

Theresa: Zuletzt noch ein kurzer Ausblick: New Work in der Zukunft, was seht Ihr da? Wird das Thema auch in der Zukunft ein Thema sein?

Marc: Ich glaube, es wird essenziell bleiben, sich weiterhin mit der Frage zu beschäftigen, wie gestalten wir Arbeit so, dass sie zu den veränderten Rahmenbedingungen passt.
Ich denke, gerade in Deutschland haben wir bis heute Rahmenbedingungen, die aus Zeiten der Industrialisierung stammen. Damals hatten wir eine ganz kleine Elite, die alles gesteuert hat und der Rest hat es halt abgearbeitet. Diese Zeiten sind vorbei. Damit müssen wir uns beschäftigen. Ein weiterer Aspekt dabei ist die Frage, wie können wir Arbeit humanisieren? Da gehört für mich die Frage nach Aufgaben, die viel konsequenter von der Maschine übernommen werden sollten, ohne Bedrohungsszenario, dass Menschen Jobs verlieren sondern mit positivem Ausblick. Dann kann sich jemand mit seinen Fähigkeiten, seinen Potenzialen, mit Themen beschäftigen, die viel humaner sind und das eigene Potenzial viel besser nutzen. Ich glaube, das ist eine Diskussion, die steht gerade in Deutschland noch vor uns und die ist essenziell, um wettbewerbsfähig zu bleiben.

Theresa: Dann kommen jetzt noch die letzten kurzen Fragen an Euch. Bitte ganz kurz antworten. Maika, fangen wir mit Dir an: Thema Team-Meeting, Präsenz oder virtuell?

Maika: Präsenz auf jeden Fall.

Theresa: Mark, Vier- oder Fünftagewoche?

Marc: Da hast Du mich bei einem Thema erwischt, zu dem ich eine andere Meinung habe, ich sage aber Fünftagewoche.

Theresa: Maik, Kicker oder Yoga?

Maika: Yoga.

Theresa: Marc, Dein New Work Tool Nummer Eins?

Marc: Mein Telefon.

Theresa: Letze Frage an Euch beide: New Work in einem Wort?

Maika: Veränderung.

Marc: Mut.

Theresa: Vielen Dank für die vielen spannenden Perspektiven rund um Eure Transformationsreise und das Thema New Work.