Die drei Dimensionen von New Work

CidPodcast zum Nachlesen: Reihe CidConcepts, #Folge 05

In der neuen Folge spricht Detlev Trapp, Gründer von cidpartners, mit Swantje Allmers. Sie ist Executive-Coach und Beraterin für Führungskräfte, Teams und Unternehmen rund um die Themen Selbstmanagement, Leadership, Agilität, Organisationsentwicklung sowie Change und Transformation. Swantje ist Co-Gründerin und Geschäftsführerin von New Work Masterskills und seit über fünf Jahren auch eine Kollegin bei cidpartners.

 

Detlev: Du hast gemeinsam mit Michael Trautmann das Buch „On the Way to New Work“ geschrieben. Wie seid Ihr das Thema angegangen und wie gelang es, ein so großes Thema einzugrenzen?

Swantje: Zu Beginn habe ich sehr viel mit Michael über New Work diskutiert. Aus meiner Sicht war es wichtig zu sehen, dass das Thema mehrere Dimensionen hat, die sich auch gut trennen lassen.

Da ist zum einen die individuelle Ebene: Da passiert viel über Coaching und über Selbstmanagement und es geht dort um Themen, die das Individuum selbst betreffen. Es geht darum, wie es gelingt, gestärkt in die Arbeitswelt zu gehen.

Zum anderen gibt es die Teamebene, die wir auch bei cidpartners viel bearbeiten. Da stehen dann Themen wie die Zusammenarbeit, Leadership, agiles Arbeiten und natürlich auch die Organisationsentwicklung, also die Struktur, im Fokus.

DREI DIMENSIONEN: DAS INDIVIDUUM, DAS UNTERNEHMEN UND DIE GESELLSCHAFT

Und es gibt eine weitere Dimension, die bis zu Frithjof Bergmann zurückreicht, der das Thema New Work in den Achtzigern aufgebracht hat. Mich beeindruckt immer wieder, wie früh er schon damals auf wichtige gesellschaftliche Veränderungen hingewiesen hat: auf den Klimawandel, auf Ressourcenverschwendung und auf die größer werdende Schere zwischen arm und reich.

Für uns war daher klar, auch diese Dimension muss in unser Buch. Die gesellschaftliche Dimension von Arbeit zu erkennen ist der Anspruch und die Intention von New Work ist. So hatten wir dann unseren Dreiklang und konnten zuordnen, welche Themen für uns in diese drei Cluster gehören.

Nehmen wir zum Beispiel das Thema Diversität, das behandeln wir im dritten Teil, weil es für uns ganz klar ein gesellschaftliches Thema ist. Gleichwohl hat Diversität natürlich eine Dimension, die für den Unternehmenserfolg wichtig, sodass wir das diskutiert haben.

Detlev: Gibt es Aspekte, die Ihr ganz bewusst weggelassen habt?

Swantje: Das Thema Kommunikation war schwierig einzuordnen, weil es in die Führung und in das Zusammenarbeiten hineinspielt. Das heißt, solche Abgrenzungsthemen haben uns beschäftigt. Und das klingt jetzt vielleicht vermessen, aber meine Vision war immer, mit diesem Buch einen gewissen Standard zum Thema New Work zu setzen, der ein paar Jahre Bestand haben soll. Daher haben wir auch keine Tool-Empfehlungen reingenommen. Wir haben auch das Thema Corona nicht überstrapaziert. Es spielt eine Rolle, da Corona natürlich einen großen Wandel bewirkt und einiges beschleunigt hat. Aber inhaltlich hat es nichts verändert, da die Dinge sowieso gekommen wären. Wir haben also versucht, nicht zu sehr auf aktuelle Themen einzugehen, sondern lieber den großen Bogen zu spannen.

Detlev: Was ist denn rückblickend für Dich die Essenz dessen, was Ihr geschrieben hat?

Swantje: Für mich ist dieser Dreiklang die Essenz. Das erlebt man auch, wenn wir Unternehmen beraten: Das Individuum, die Stärkung des Individuums, spielt eine ganz große Rolle, damit das, was wir im organisationalen Kontext reingeben, auch angenommen werden kann. Das ist die Voraussetzung dafür, in Unternehmen und Organisationen etwas gestalten zu können. Und für mich ist dabei ein ganz wichtiger Aspekt, dass wir über diese klassische Win-Win-Situation hinauskommen können. Es reicht nicht mehr zu sagen, „Wenn es den Menschen gut geht, geht es dem Unternehmen gut“ und umgekehrt. Ich denke, es ist an der Zeit und wirklich notwendig, einen Dreiklang daraus zu machen, mit dem Ziel unsere Gesellschaft resilienter und stärker zu machen. Da darf noch viel passieren.

Und durch diese dritte Dimension kriegt das ganze Thema New Work einen wirklich wichtigen Sinn. Dann sprechen wir nicht mehr nur von Arbeit und Alltag, sondern davon, was das für einen Impact für uns alle hat.

Es reicht nicht mehr zu sagen, „Wenn es den Menschen gut geht, geht es dem Unternehmen gut“ und umgekehrt

Grundeinkommen oder Utopien sind da Aspekte, die wir in diesem Teil unseres Buches besprechen. Denn wir sehen extrem viel gesellschaftlichen Wandeln und wenn wir es schaffen, mit dem, was wir täglich alle tun, diesen Wandeln zu unterstützen und es nicht nur als Aktivität in der Freizeit zu sehen oder das Thema der Politik zu überlassen, dann entfalten wir eine große Kraft. Das ist für mich das persönliche Fazit des Buches und eine Entwicklung, die ich gerne mit vorantreiben möchte.

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On the Way to New Work – Wie Arbeit zu etwas wird, was Menschen stärkt

Von Swantje Allmers, Michael Trautmann und Christoph Magnussen

Erschienen am 31.3.2022

Was steckt hinter New Work, was bringt und wie funktioniert es? Nur selten ist klar, was genau darunter zu verstehen ist. „On The Way to New Work“ ist ein lebensnahes und unterhaltsames Buch für Menschen, die tiefer in das Thema New Work eintauchen wollen. Es möchte Menschen für das Arbeitsleben stärken.

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Detlev: Würdest Du sagen, New Work ist etwas für jede Organisation? Oder müssen sich Organisationen erst vorbereiten, um einen solchen Weg zu gehen? Wie siehst Du das?

Swantje: Vorbereitung ist wichtig und ich empfehle das ausdrücklich. Sicher gibt es dann auch Organisationen, die sich dafür entscheiden, einfach weiterzuarbeiten, wie bisher. Ich sehe aber auch in dieser Frage einen großen Generationswechsel. Ich erlebe das bei jüngeren Kolleg:innen, dass die schon ganz anders auf das Thema Arbeit gucken und der Anspruch sich verändert hat. Und nicht nur die Jüngeren sagen „Corona und die Zeit im Homeoffice haben für mich viel Gutes gebracht“ und sie definieren ihren Anspruch neu. Das bedeutet, Unternehmen tun gut daran, diese Themen im Blick zu halten und zu fragen: Wie können wir die Arbeit für unsere Teams erfüllter gestalten? Und das hat für mich auch etwas mit Potenzialentfaltung zu tun. Denn die jüngere Generation ist nicht bereit, fünf Jahre etwas still zu ertragen, bevor sie Teamleiter:in werden können oder einen Bereich leiten dürfen, um dann erst etwas bewegen zu können. Das halte ich auch für eine riesige Potenzialverschwendung, auch deshalb ist ein Wandel sinnvoll.

Und was die gesellschaftliche Relevanz angeht: Da wird auch Nachhaltigkeit früher oder später, und wenn es nach mir geht, eher früher, eine Notwendigkeit sein für Unternehmen. Genau wie Diversität. Deshalb bin ich auch für Quoten, wenn wir von Diversitäten sprechen, weil ich glaube, dass es ohne Druck von außen zu langsam vorangeht. Erst wenn die Notwendigkeit da ist, finden viele auch Wege für die Umsetzung.

Wenn es Unternehmen gelingt, die Potenziale ihrer Mitarbeitenden zu fördern, werden sie erfolgreicher sein.

Und zurückkommend auf Deine erste Frage, ob das für jedes Unternehmen funktioniert: Ich denke ja. Es darf aber nicht zum „Buzzword“ verkommen und jeder behauptet von sich, New Work zu machen.

Ein Blick ins Inhaltverzeichnis unseres Buches zeigt ja, wie vielschichtig das Thema ist. Daher darf jedes Unternehmen für sich schauen, wo ist der Bedarf am größten, was hat am meisten Potenzial. Also fern von aller Theorie zu schauen, was macht denn Sinn, damit wir unsere Mitarbeitenden besser integrieren können, so dass sie ein erfüllteres Arbeitsleben haben, mehr mitgestalten und Sinn erleben.

Was macht denn Sinn, damit wir unsere Mitarbeitenden besser integrieren können, so dass sie ein erfüllteres Arbeitsleben haben, mehr mitgestalten und Sinn erleben

Detlev: Du hast eben das Beispiel der Quoten gebracht und gesagt, es brauche an bestimmten Stellen Rahmenbedingungen und Regeln, damit etwas in Bewegung kommt. Was heißt, dass denn für Dich, wenn wir das auf Organisationen übertragen, die sich gerade auf den Weg machen. Geht es eher darum, überhaupt irgendwo anzufangen und zu schauen, wo sind denn die Punkte, mit denen man am ehesten einen Wert schaffen kann, wo der Widerstand vielleicht nicht so groß ist und man auch schnell erste Erfolge erzielen kann? Oder würdest Du sagen, es sollte im ersten Schritt darum gehen, das Bewusstsein zu schaffen und sich mit dem Gedankengut auseinanderzusetzen – also auf einer kulturellen Ebene und beim Mindset anzusetzen?

NEW WORK TRANSFORMATION – WIE FÄNGT MAN AN?

Swantje: Mir fällt zu Deiner Frage eine Analogie ein: Im Selbstmanagement Coaching kann ich auch von unterschiedlichen Richtungen kommen. Ich kann anfangen, erst mal die Person von all dem zu entlasten, dass im Alltag blockiert und schaue mir dann erst die Ziele und Visionen an.

Für andere funktioniert das gar nicht. Sie sagen, mich interessiert der Alltag gar nicht, ich möchte gerne von Zielen und Visionen und den höheren Ebenen kommen und dann weiß ich auch, warum ich überhaupt meinen Alltag entlasten sollte. Und deshalb denke ich, dass diese Verbindung immer wichtig sein wird und es ist auch unsere einzige Chance ist, das Thema wirklich nachhaltig in Unternehmen zu bekommen. Das Tagesgeschäft läuft ja weiter und die Menschen haben nun mal eine Haltung, ein Mindset. Das auszuklammern wäre fatal. Das ist für unseren Beruf gerade die spannende Herausforderung, zu schauen, von welcher Seite komme ich hier am besten, denn tatsächlich führen ganz unterschiedliche Einstiege zum Erfolg.

Detlev: Das heißt, um es systemisch zu sagen, auf Basis von Hypothesen gut planen, auf welcher Seite ich die jeweilige Intervention ansetze und dann beobachte ich, welchen Impact das in der Organisation hat, welche Veränderungen im System dadurch entstehen und reagiere entsprechend darauf.

Swantje: Genau. Etwas Ähnliches erleben wir ja oft bei der Einführung von agilen Arbeitsweisen. Da reden wir viel über Mindset, Haltung und was dahintersteht. Einen Teil der Menschen wirst du darüber erreichen. Und dann gibt es immer einen anderen Teil, der sagt, lass uns doch mal mit Methoden arbeiten und dann zeigt sich, dass das funktioniert und dann ändert sich darüber das Mindset und die Haltung.

Und diese unterschiedlichen Herangehensweisen helfen uns dabei, alle Perspektiven einzubinden.

Detlev: Zum Abschluss noch ein paar Tendenz-Fragen. Wenn du die Wahl hättest zwischen Präsenz und virtuellen Meetings, was ziehst Du vor?

Swantje: Das ist eine sehr schwierige Frage. Im Moment geschient ja viel noch virtuell und es wird gleichzeitig Anlässe geben, bei denen es viel toller ist, wenn wir uns sehen.

Detlev: Siehst du die Entwicklung mehr in Richtung einer Vier- oder Fünftagewoche?

Swantje: Ich denke, die Fünftagewoche wird erst mal bleiben und auch in 20 Jahren noch da sein. Aber, je mehr die jüngeren Generationen das Feld erobern, desto mehr werden wir auch Viertagewochen-Modelle haben.

Detlev: Eher Yoga oder Kicker?

Swantje: Eher Yoga.

Detlev: Was ist Dein New Work Tool Nummer 1?

Swantje: Sprechen.

Detlev: Und wenn du New Work in ein Wort packen würdest, welches wäre es?

Swantje: Sinn.

Detlev: Swantje, vielen Dank für das spannende Gespräch!