INTEGRATIVER ENTSCHEIDUNGSPROZESS

Vorteile von strukturierten Entscheidungsprozessen

Strukturierte Entscheidungsprozesse, insbesondere der integrative Entscheidungsprozess, verbessern die Zusammenarbeit und Organisation in Teams und bieten einen systematischen Ansatz zur Problemlösung und Rollenklärung. Dieser iterative Ansatz führt zu klaren und durchdachten Entscheidungen, die alle Teammitglieder einbeziehen. Wie funktioniert das? Der Prozess umfasst mehrere Schritte, in denen verschiedene Akteure konkrete Aufgaben übernehmen und bestimmte Regeln einhalten müssen. 

 

EINFÜHRUNG IN STRUKTURIERTES ENTSCHEIDEN

Strukturierte Entscheidungsprozesse bieten zahlreiche Vorteile, besonders wenn Rollenbeschreibungen im Team angepasst werden sollen. Viele Teams nutzen dafür ihre wöchentlichen Meetings, was oft nicht ideal ist. In diesen Meetings geht es meist um operative Fragen: Wer macht was? Wo gibt es Probleme? Wo müssen wir uns abstimmen? Das reicht jedoch nicht aus, um die Zusammenarbeit oder die Organisation grundlegend zu verändern. 

 

WIE FUNKTIONIERT DER INTEGRATIVE ENTSCHEIDUNGSPROZESS IN DER PRAXIS?

Hier kommt der integrative Entscheidungsprozess ins Spiel. Anfangs kann dieser Prozess ungewohnt und starr wirken. Doch er bietet Raum für alle Perspektiven im Team und hilft, die Zusammenarbeit systematisch zu verbessern. 

Kurz gefasst läuft der Prozess so ab, dass jemand sagt „Ich habe etwas wahrgenommen, das ich als Spannung sehe, und habe mir bereits Gedanken über einen möglichen Lösungsvorschlag gemacht, um diese zu adressieren.“ Darauf folgen klärende Fragen, um das Ganze besser zu verstehen.  

 

SCHRITTE DES INTEGRATIVEN ENSCHEIDUNGSPROZESSES

Der integrative Entscheidungsprozess besteht aus sechs Schritten, die nach Bedarf wiederholt werden können, um zu einer klaren und durchdachten Entscheidung zu gelangen: 

     1. Spannung wahrnehmen und Vorschlag einbringen: 

Ein Teammitglied erkennt ein Problem und macht einen Lösungsvorschlag 

     2. Klärende Fragen:  

Das Team stellt Fragen, um das Problem besser zu verstehen. 

     3. Reaktionen:

Jede/r gibt Feedback. So entsteht ein umfassendes Bild der Situation. 

    4. Vorschlag: überarbeiten 

Die Person, die die spannung mitbringt, überarbeitet ihren Vorschlag basierend auf dem Feedback. Das stellt sicher, dass alle Perspektiven berücksichtigt werden. 

      5. Einwände prüfen: 

Nun wird geprüft, ob es schwerwiegende Einwände gegen den überarbeiteten Vorschlag gibt. Wenn nicht, wird der Vorschlag angenommen. 

      6. Einwände integrieren: 

Gibt es Einwände, werden diese integriert und der Vorschlag wird angepasst. So entsteht eine Lösung, die von allen getragen wird. 

Nun werfen wir einen genaueren Blick auf die einzelnen Schritte. 

Integrativer Entscheidungsprozess

 

SCHRITT 1: SPANNUNGEN ERKENNEN UND VORSCHLÄGE EINBRINGEN

Der erste Schritt in diesem integrativen Entscheidungsprozess besteht darin, die wahrgenommene Spannung zu erklären. Die Person, die die Spannung einbringt, macht außerdem einen Vorschlag, wie die Zusammenarbeit verändert werden kann, sei es durch Anpassungen in der Rollenbeschreibung oder durch Änderungen von Richtlinien und Regeln im Team. Idealerweise wird der Vorschlag für alle gut visualisiert. 

Wichtig: Es geht nicht darum, lediglich Kritik zu äußern. Der erste Lösungsvorschlag dient als Basis für die Diskussion. Im weiteren Verlauf des Entscheidungsprozesses gibt es noch Möglichkeiten, diesen Vorschlag zu diskutieren und anzupassen. 

 

SCHRITT 2: KLÄRENDE FRAGEN ZUR VERTIEFUNG DES VERSTÄNDNISSES STELLEN

Schritt 2 besteht darin, dass jedes Teammitglied klärende Fragen stellen kann. Diese Fragen dienen dazu, die Spannung und den Lösungsvorschlag besser zu verstehen, im Sinne: Was muss ich noch wissen, um mir eine Meinung bilden zu können? Es ist wichtig, dabei keine versteckten Reaktionen, Kommentare oder Suggestivfragen zuzulassen, da es rein ums Verständnis geht. 

Dieser Schritt fördert eine Teamkultur des Zuhörens und Ausredenlassens. Es geht darum, wirklich zu verstehen, was der/die andere meint. Diese Fähigkeit ist in vielen Teams nicht ausreichend ausgeprägt und kann durch diesen Prozess gestärkt werden. 

Nachdem die klärenden Fragen gestellt wurden, geht es weiter in die Reaktionsrunde. 

 

SCHRITT 3: REAKTIONSRUNDE FÜR UMFASSENDES FEEDBACK

Nach den klärenden Fragen folgt die Reaktionsrunde. Hier wird jede Person in der Runde gefragt, ihre persönliche Reaktion auf den Vorschlag zu äußern, zum Beispiel: Wie geht es mir mit dem Vorschlag? Was ist meine Reaktion? Das kann eine kurze oder ausführliche Antwort sein. Jedes Teammitglied bekommt den Raum, um etwas beizutragen, Fakten oder Ergänzungsmöglichkeiten vorzuschlagen. 

Die Person, die die Spannung und den ersten Vorschlag eingebracht hat, hört aufmerksam zu, um zu erkennen, ob die vorgebrachten Punkte zur wahrgenommenen Spannung passen oder ob es Aspekte gibt, die damit nichts zu tun haben. In diesem Schritt geht es speziell darum, zuzuhören und aufzunehmen. 

Wichtig: Die Teammitglieder reagieren reihum auf das Gehörte. Es ist keine Diskussionsrunde. 

 

SCHRITT 4: ANPASSUNG DES VORSCHLAGS BASIEREND AUFRÜCKMELDUNGEN ERLÄUTERN ODER ERGÄNZEN

 In der nächsten Runde ist erneut die Person gefragt, die den Vorschlag eingebracht hat. Nach der Phase der klärenden Fragen und der Reaktionsrunde hat sie nun die Gelegenheit, den Vorschlag zu überarbeiten. Dabei sollte sie die wertvollen Anmerkungen und Reaktionen der Teammitglieder berücksichtigen und den Vorschlag gegebenenfalls anpassen. 

 In dieser Phase kann es auch sinnvoll sein, den ursprünglichen Vorschlag nochmals zu erläutern oder zu präzisieren, um Missverständnisse zu vermeiden. Der*die Vorschlagende kann zusätzliche Informationen oder Perspektiven einbringen, die in den vorherigen Runden aufgekommen sind. Diese überarbeitete Version des Vorschlags wird dann zur finalen Abstimmung gebracht 

 

SCHRITT 5: EINWÄNDE PRÜFEN

Die Abstimmung funktioniert im integrativen Entscheidungsprozess etwas anders als gewohnt. Es geht nicht um persönliche Zufriedenheit oder Konsens im Team, sondern um Konsent. Dabei sind folgende Fragen zentral: „Was hat sich durch die Ergänzungen geändert? Wie geht es mir jetzt mit dem Vorschlag? Habe ich einen Einwand? Gibt es schwerwiegende Einwände gegen die Umsetzung?“ 

Besonders wichtig sind hier Fakten, die wirklich belegen, dass eine Entscheidung nicht getroffen werden sollte, weil sonst Schaden entsteht. In dieser Phase kann es leicht passieren, dass man beginnt, erneut Dinge hinzuzufügen und zusätzliche Runden zu drehen, obwohl es vielleicht gar nichts Belastbares gegen den Vorschlag gibt. 

Jedes Teammitglied hat die Gelegenheit, Einspruch gegen den Vorschlag einzulegen. Der Einwand muss zulässig sein. Sollte sich herausstellen, dass die Entscheidung doch nicht funktioniert, kann der Schritt jederzeit rückgängig gemacht werden, indem er im nächsten Meeting angepasst wird. 

Wenn es Einwände gibt, werden diese zunächst notiert. Gibt es keine zulässigen Einwände, ist der Vorschlag angenommen. Dies sollte dokumentiert werden, damit es für alle transparent ist und später wieder besprochen werden kann. Je nach Ergebnis wird entsprechend weitergemacht. 

Zulässige Einwände 

Ein Einwand ist zulässig, wenn er folgende Kriterien erfüllt (Robertson, 2015): 

  • Der initiale Vorschlag würde das Team bei der Erreichung seiner Ziele behindern. 
  • Durch die Annahme des initialen Vorschlags würde ein neues Problem entstehen.Bestehende Probleme zählen nicht. 
  • Der Einwand basiert auf bekannten Daten und Fakten, nicht auf Mutmaßungen oder Befindlichkeiten. 

Gibt es keine zulässigen Einwände, ist der Vorschlag angenommen. 

 

SCHRITT 6: EFFIZIENTER UMGANG MIT EINWÄNDEN

Schwerwiegende Einwände sind ein wichtiger Teil des integrativen Entscheidungsprozesses. Jeder zulässige Einwand wird einzeln diskutiert, um den Vorschlag so zu ergänzen, dass er für den Einwender akzeptabel wird. Es geht nicht darum, Einwände beiseitezuschieben, sondern um eine konstruktive Diskussion, die zu einer besseren Lösung führt. 

Bei einem Einwand spricht der Einwender oder die Einwenderin direkt mit der Person, die den Vorschlag gemacht hat, um gemeinsam nach einer Lösung zu suchen. Andere Teammitglieder können unterstützen, aber der Fokus liegt auf dem Dialog zwischen Einwender und Vorschlagendem. Dies führt oft schnell zu einem Erfolg. 

Gibt es mehrere valide Einwände, werden diese nacheinander diskutiert, ohne sie zu vermischen. Nach jeder Diskussion wird erneut gefragt, ob es noch weitere schwerwiegende Einwände gibt. Meistens kann an diesem Punkt der angepasste Vorschlag angenommen und dokumentiert werden. 

Nachdem der erste Einwand integriert wurde, kehrt der Prozess zur Einwandsrunde zurück. 

 

Deutung des integrativen Ansatzes für moderne Führungspraktiken

Für viele Teams ist dieser Prozess eine neue Erfahrung und fühlt sich sehr bürokratisch, wie ein starres Korsett, an. Auch wenn das Empfinden am Anfang so sein könnte, ist die Belohnung für den Aufwand groß: Das Verfahren hilft, komplexe Entscheidungen strukturiert im Team zu besprechen, sodass jede Perspektive integriert werden kann. Beschlüsse, die auf diesem Wege getroffen werden, finden mehr Akzeptanz. 

 

Besonders hilfreich ist der Integrativer Entscheidungsprozess bei schwierigen Themen, bei denen es über lange Zeiträume keine Entscheidung gab und dann sehr effizient innerhalb einer Stunde eine Lösung gefunden werden konnte. Die Mühe lohnt sich, und mit der Zeit bekommen Teams mehr Routine im Verfahren. Es hilft enorm, wenn jemand diesen Prozess gerade zu Beginn moderiert und die einzelnen Schritte sowie deren Zweck erläutert. 


Häufige Fragen zum Integrativen Entscheidungsprozess

Warum nicht einfach diskutieren? 

Es gibt immer wieder Fragen, die auftauchen, wenn über integrative Entscheidungsprozesse gesprochen wird. Eine häufige Frage ist, ob nicht einfach über Spannungen und Vorschläge diskutiert werden kann, um zu sehen, was jeder dazu zu sagen hat. Dies kann jedoch zu Problemen führen. Eine offene Diskussion verführt oft dazu, in alte, gewohnte Entscheidungsmuster zurückzufallen. Dies fühlt sich zwar vertraut an, kann aber dazu führen, dass zu viele Themen und Meinungen auf den Tisch kommen und die Entscheidungsfindung erschwert wird.

Tipp: Mit einem initialen Vorschlag beginnen. Die ersten Versuche mögen holprig sein, aber schon nach kurzer Zeit wird klar, wie effizienter ohne lange Diskussionen eingestiegen werden kann. 

 

Was tun, wenn der Prozess nicht funktioniert? 

Eine weitere häufige Frage ist, was zu tun ist, wenn der Prozess nicht funktioniert und keine Entscheidung getroffen wird. Dies ist ein wichtiger Punkt, da oft erst im Rückblick erkannt wird, welche verschiedenen Themen miteinander verschmolzen und somit komplex geworden sind. Es kann auch sein, dass das Thema an sich schwierig und komplex ist.

Tipp: Wenn intensiverer Austausch mit anderen Stakeholdern erforderlich ist, sollte die Entscheidung vertagt werden. Die direkt betroffenen Rollen oder Personen treffen sich zu einem separaten Meeting, arbeiten einen neuen Vorschlag aus und bringen diesen dann in die größere Runde zur Abstimmung. Wenn die Themen klein gehalten werden, lassen sich die Spannungen iterativ erfolgreicher bearbeiten. 

 

Dauert der Prozess nicht zu lange? 

Eine häufige Sorge ist, dass der integrative Entscheidungsprozess zu viel Zeit in Anspruch nimmt. Dies ist jedoch ein Missverständnis. Ein Team oder eine Gruppe von Stakeholdern, die den Prozess verstanden haben, kann sehr schnell arbeiten und unnötige Diskussionen vermeiden.

Tipp: Ruhe bewahren und sich auf den Prozess einlassen. Der Prozess spart insgesamt Zeit durch den klaren Rahmen, da er ermöglicht, klärende Fragen schnell zu unterscheiden und unrelevante Themen von vornherein auszuschließen. Dadurch wird die Entscheidungsfindung effizienter und reibungsloser als endlose Diskussionen. 

 

Moderation des Integrativen Entscheidungsprozesses
Es ist nicht nur am Anfang hilfreich, diesen Entscheidungsprozess zu moderieren.  

Moderation ist kein Hexenwerk: Es geht darum, die Schritte nacheinander zu durchlaufen, die Zeit im Auge zu behalten und einzugreifen, wenn klärende Fragen plötzlich in lange Diskussionen ausarten oder wenn bei Einwänden Themen aufkommen, die nicht wirklich relevant sind. Auch wenn sich dieser Prozess am Anfang sehr starr anfühlen mag, wird er mit der Zeit immer natürlicher und flüssiger. Die Beteiligten werden schnell merken, dass diese Struktur nicht nur effizient ist, sondern auch für Klarheit sorgt.

Tipp: Wenn man selbst tief in ein Thema involviert ist, kann es sinnvoll sein, sich ein Stück zurückzunehmen und jemand anderen die Moderation übernehmen zu lassen.  

 

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