Die agile Stiftung

Wie neue Organisationsformate für mehr Flexibilität und Klarheit sorgen

In diesem Artikel legen wir den Fokus auf die Welt der Stiftungen. Wir beschreiben verschiedene agile Methoden, die neue Lösungsansätze für zukünftige Formen der Organisation und der Zusammenarbeit in Stiftungen ermöglichen. Unser Fokus liegt dabei auf Methoden, die schnell und einfach umzusetzen sind und sich in unserer Beratungstätigkeit über viele Jahre bewährt haben, um Agilität zu fördern. Wir möchten mit dem Artikel Stiftungen ermutigen, tradierte Organisationsformen und Arten der Zusammenarbeit zu überdenken und sie ermutigen, neue Wege auszuprobieren.

Mit-Autor ist unser Businesspartner Peter Tscherne, der über fünf Jahre selbst in Teilzeit Geschäftsführer einer Stiftung war. In dieser Zeit führte er die beschriebenen Methoden nach und nach im Team ein und kann aus eigener Erfahrung über deren Wirksamkeit berichten.

Zusammenfassung

Rasant entwickeln sich derzeit digitale Technologien und damit einhergehend neue Produkte und Dienstleistungen. Die Industrie 4.0 bringt ungeahnte Möglichkeiten der intelligenten Vernetzung mit sich und in immer kürzeren Zyklen entstehen neue Geschäftsmodelle.

Volatilität, Unsicherheit, Komplexität, Ambiguität sind zu bestimmenden Phänomenen geworden. Das gilt für Stiftungen genauso wie für Unternehmen. Klassische Organisationsmodelle und Problemlösungsmuster stellen im Umgang mit diesen Herausforderungen häufig keine erfolgsversprechenden Strategien mehr dar.

In diesem Artikel wird dargestellt, wie neue Denk- und Organisationsansätze das operative und strategische Stiftungsmanagement zu neuer Leistungsfähigkeit anregen können. Obwohl diese Ansätze unter verschiedenen Begriffen entstammen, wie etwa „Holacracy®“, „Teal Organization“ oder „Responsive Organization“, ist die Kernidee dieser dynamischen Organisationsansätze eine sehr ähnliche: Im Mittelpunkt steht die Organisation von Sinnstiftung, Selbststeuerung und Entscheidungsprozessen, nicht mehr die Beschreibung von Organigrammen und Abläufen.

Am Beispiel konkreter Bausteine und Formate wie zum Beispiel passgenaue Meetingformate, dynamische modulare Rollenbeschreibungen oder Entscheidungsprozesse wird die Wirkungsweise der neuen Ansätze und ihr konkreter Einsatz im Alltag der Stiftung Digitale Spielekultur GmbH erläutert.

Die Herangehensweise dieses Artikels basiert auf Erfahrungen der Jahre 2014-2017 in der Stiftung Deutsche Spielekultur und der gemeinsamen Arbeit der Autoren mit den beschriebenen Ansätzen und Themen In dieser Zeit war Peter Tscherne Geschäftsführer der Stiftung. Er füllte diese Rolle in Teilzeit aus und transferierte in dieser Zeit Ansätze aus seinem anderen Job als Organisationsberater und Trainer in Zusammenarbeit mit der Unternehmensberatung cidpartners in den Alltag der Stiftung.

Hintergrund: Die Stiftung Digitale Spielekultur

Die Stiftung Digitale Spielekultur geht auf eine gemeinsame Initiative des Deutschen Bundestages sowie der deutschen Computer- und Videospielbranche zurück. Verschiedene Bundesministerien sowie weitere Partner aus Kultur, Gesellschaft, Politik, Wissenschaft, Jugendschutz und Pädagogik sind an ihr beteiligt.

Seit der Gründung 2012 versteht sich die Stiftung als eine Plattform für den offenen Diskurs zu Chancen und Herausforderungen digitaler Spiele. Zu diesem Zweck initiiert und unterstützt sie Projekte aus den Bereichen Erziehung und Bildung, Kunst und Kultur sowie Wissenschaft und Forschung.

2012 wurde mit dem Aufbau der Stiftung begonnen – damals mit eineinhalb Stellen und zwei Projekten. Heute arbeiten fünf Personen in der Stiftung und haben erfolgreich über 30 Projekte in den Bereichen Kultur, Bildung und Wissenschaft durchgeführt. Dabei arbeitete die Stiftung mit verschiedenen Stakeholdern zusammen, von Ministerien und Förderanstalten über Kulturinstitute und wissenschaftlichen Einrichtungen bis zu anderen Stiftungen und privatwirtschaftlichen Unternehmen.

Der Markt der digitalen Spiele ist mindestens genauso dynamisch und komplex wie Märkte in anderen Branchen. Permanent entstehen neue Geschäftsmodelle, es herrscht eine hohe Volatilität und die Unsicherheit, ob man nächstes Jahr als Entwickler oder Publisher noch dazu gehört, ist groß. Diese Dynamik und Unsicherheit hatte immer auch Auswirkungen auf die Arbeit der Stiftung. Ein Ansatz, diesen Herausforderungen zu begegnen, war der kontinuierliche Anspruch, neue Denk- und Organisationsansätze auszuprobieren und – wenn sinnvoll – zu verstetigen.

In den fünf Jahren seiner Tätigkeit als Geschäftsführer hat Peter Tscherne verschiedene neue Prinzipien des Denkens und Arbeitens in der Stiftung getestet und verankert. Eine Auswahl dieser Ansätze und Praktiken wird in diesem Artikel vorgestellt. Es sind einfache, relativ leicht umsetzbare Praktiken, um in einer dynamischen und komplexen Welt adäquat agieren zu können und nach innen im Sinne eines permanenten Lernens ein „aushaltbares“ Maß an Veränderungsbereitschaft zu erzeugen. Das betrifft sowohl die einzelne Mitarbeiterin und das Gesamtteam als auch die Art und Weise der Zusammenarbeit untereinander.

DIE „PENTAGENDA“ UND DER FOKUS AUF SINN UND ZWECK

In einer jungen kleinen Stiftung sind Besprechungen meist informeller Natur und folgen keiner festen Agenda. Die Stiftung wuchs jedoch personell, und auch die Anzahl der Projekte stieg rasant an. Besprechungen und Sitzungen folgten somit plötzlich einer eher chaotischen Agenda. Thema 1, Thema 2, gefolgt von persönlichen Meinungen, zurück zu Thema 1 und noch ein paar Rückfragen zu Thema 2. Und manchmal ohne klares Ergebnis am Ende der Besprechung.

Was also tun, damit Besprechungen, Sitzungen und andere Arbeitsanlässe einen Fokus haben und am Ende ein konkretes Ergebnis herauskommt?

Ein Instrument, das dabei hilft – und sowohl analog auf einem Flipchart als auch digital in einem Textverarbeitungsprogramm genutzt werden kann – ist die sogenannte „Pentagenda“. Die Abbildung zeigt die typische Anordnung auf einem Flipchart (Gerber, Gruner 1999). Grob gesagt werden bei einer Pentagenda fünf (griech. „Penta“) zentralen Fragen gestellt:

  1. Was ist der Sinn und Zweck?
  2. Was ist das konkret herzustellende Ergebnis?
  3. Welchen Input haben wir bereits oder liegt uns vor (Dokumente, Mails, Konzepte, Interviews etc.) Welchen Input benötigen wir noch?
  4. Welche Ressourcen benötigen wir (z.B. Raum, Ort, Zeit, Personen, Material)?
  5. Wie kann ein möglicher Prozess Ablauf aussehen? Wie gehen wir vor?

Wichtigstes Element in der Pentagenda ist die Frage nach dem Sinn und Zweck. Erst nachdem die Frage nach dem Warum geklärt ist, gilt es, sich Gedanken über die anderen Fragen zu machen – in der oben angegebenen Reihenfolge.

Seien wir mal ehrlich, wie oft stellen wir uns die Frage nach dem Warum und den gewünschten Ergebnissen bei Besprechungen, bevor diese beginnen? Und was wäre, wenn wir die Frage nach dem Warum, nach dem Sinn und Zweck für die gesamte Organisation, also für die ganze Stiftung, stellen würden und dies als Orientierungsinstrument nutzen?

Klarheit über den gemeinsamen Sinn und Zweck und ein hohes Maß an Transparenz ist eine entscheidende Voraussetzung für mehr Selbstorganisation. Denn nur wenn allen Beteiligten das „Warum“ bewusst ist, ist gewährleistet, dass eine gemeinsame Ausrichtung zum Wohle der Gesamtorganisation erfolgen kann (vgl. Laloux 2015).

Die Pentagenda ist jedoch nicht nur bei der Planung und Durchführung von Besprechungen und Sitzungen wertvoll. Sie ist auch geeignet, um Events und Projekte im Kleinen wie im Großen zu planen oder gar Kommunikationsmaßnahmen zu gestalten.

Durch die konsequente Einführung der Arbeit mit einer Pentagenda und der Frage nach dem Sinn und Zweck konnte in der Stiftung eine spürbar bessere Fokussierung erreicht werden, durch die sich auch die Qualität dezentral getroffener Entscheidung verbesserte. In Richtung Projektpartner hat die Nutzung der Pentagenda sogar noch einen weiteren Vorteil: alle relevanten Informationen auf einen Blick und auf einer Seite zu finden.

Denken und Arbeiten in Prototypen

In der Stiftung war es in den ersten zwei Jahren kaum üblich, Gedanken und Ideen analog zu visualisieren und in kleinen aufeinanderfolgenden Entwicklungsschritten zu denken. Ein Großteil der Arbeit wurde von einzelnen Personen direkt am Rechner erledigt – Jeder arbeitete in seinem „Kämmerchen“. Dokumente, Konzepte und Ideenpapiere sollten vor der Präsentation an mögliche Partner eine hohe Qualität besitzen und „perfekt“ sein.

Dieses Vorgehen ist jedoch für die Zusammenarbeit im Team nicht förderlich. Und auch das Verhältnis zu Projektpartnern bleibt beim klassischen Vorgehen zu stark in einer Auftraggeber-Auftragnehmer-Haltung und fördert nicht das gemeinschaftliche Ausprobieren und Erkunden von Möglichkeiten.

Wie kann also die Qualität bei der Erstellung von Konzepten, Ideen und Präsentationen gesteigert und gleichzeitig die Art und Weise der Zusammenarbeit sowohl im Team als auch mit Partnern verändert werden?

Als erster Schritt wurden Flipcharts, Pinnwänden, Stiften und Post It´s eine Infrastruktur geschaffen, mit der eine gemeinsame Arbeit an Themen vor Ort überhaupt erst möglich wurde. So konnte man allererste Gedanken skizzieren, Ideen gemeinsam entwickeln und visualisieren, um sie dann zu verproben und diese Prototypen für alle sichtbar zu machen. Bei neuen Projekten und Initiativen wurden z.B. Ideengemeinsam am Flipchart oder am Whiteboard visualisiert und diese immer wieder weiterentwickelt. Das bedeutet, dass ein Prototyp auch mal sieben Flipchart-Blätter nacheinander verschlingt. Von Version zu Version wird die Idee dabei immer konkreter und auch visuell attraktiver.

Die Nutzung von Post It´s hat den Vorteil, dass sich die festgehaltenen Gedanken dabei leicht verschieben, ersetzen und entfernen lassen. In der Stiftung werden diese einfachen analogen Techniken z.B. für Brainstormings und Mindmapping, dem Erstellen von Modellen oder der Erarbeitung von Maßnahmenplänen genutzt. Dahinter steckt auch eine generelle Haltung: einfach anfangen und machen, nicht zu lange nachdenken, ob es etwas perfekt ist. Wichtig ist, dass schnell erste Prototypen entstehen, die nach und nach weiterentwickelt werden (siehe Abbildung).

Das Denken in Prototypen hat dazu geführt, dass die Arbeit gerade an ersten Ideen deutlich mehr Spaß macht und schnell für alle sichtbar ist. Und: wenn die Lösung mal am Problem vorbeiging, dann wurde dies frühzeitig im Team erkannt. Das Arbeiten mit Prototypen wurde auch für die Zusammenarbeit mit Projektpartnern genutzt. Mit den Projektpartnern funktionierte das unterschiedlich gut: manche, gerade auch aus dem Stiftungsumkreis, sind offen, neugierig und freuen sich, wenn sie bereits in dieser frühen Phase mit dabei sind. Das hat „Werkstattcharakter“ und macht Spaß. Andere, zum Beispiel Ministerien, überfordert man mit dieser Herangehensweise und kann Prototyping und Prototypendenke nur sehr dosiert einsetzen.

Insgesamt hat das Denken in Prototypen, das für uns eng mit dem Begriff „Co-Creation“ verbunden ist, in der Stiftung nach außen zu einem deutlich höheren Vertrauen bei den Stakeholdern geführt und intern zu mehr Freude in der Zusammenarbeit. In zeitgenössischer Managementliteratur wird auf die praktische Relevanz des Prototyping z.B. im Kontext des Begriffs Design Thinking (vgl. Tim Brown) viel geschrieben.

ZUSAMMENARBEIT: DAS TAKTISCHE MEETINGFORMAT

Regelmäßige Meetings sind in den meisten Unternehmen und Organisationen ein Graus: zu viele, zu schlecht geplant, zu unterschiedliche Beteiligung, keine Entscheidungen etc. Da war die Stiftung an manchen Stellen keine Ausnahme. Es gab zwar immer eine Agenda und ein Protokoll, trotzdem fanden Meetings statt, bei denen nicht effizient und zielgerichtet genug gearbeitet wurde.

Um im Team die Selbstorganisationsfähigkeit zu erhöhen ist die Information, wo die Organisation insgesamt steht, Voraussetzung dafür, dass jeder in seinen Rollen gute Entscheidungen zum Wohle der Gesamtorganisation treffen kann. Wie können sich also Teams in einem bspw. wöchentlichen Treffen optimal synchronisieren und alle wochenaktuellen Themen klären?

Ein konkretes Meetingformat das in der Stiftung eingeführt wurde, ist das sogenannte „Taktische Meetingformat“. Entwickelt hat es Brian Robertson, der auch das organisationale Betriebssystem Holacracy® erfunden hat. Mit den Schritten Check-In, Checkliste, Kennzahlen, Projektupdates, Klärungspunkte und Check-Out ist es für alle Beteiligten ein hoch verdichtetes und klärendes Meetingformat. Der Ablauf ist in der Abbildung zusammengefasst. In der Stiftung wurden alle für das Format relevanten Informationen auf einer gemeinsamen virtuellen Pinnwand (heute Microsoft Office 365, davor Google Docs) festgehalten und bearbeitet. Das hat den Vorteil, dass einzelne Teammitglieder auch mobil vom Home-Office oder von unterwegs Einblick in die dort hinterlegten Informationen haben.

Ein erstes, aber wirksames Element ist das Check-In. Es dient der gemeinsamen Fokussierung, dem Ankommen und der Klärung des Kontextes, in dem der Austausch stattfindet. Jeder Teilnehmer berichtet kurz und knapp wie er oder sie gerade „im Termin ist“, wie es ihr oder ihm gerade geht und was die Person beschäftigt. Das persönliche Verständnis füreinander und auch das Vertrauen untereinander wächst dabei kontinuierlich.

Nach dem Check-In geht das Team eine gemeinsam definierte Checkliste durch, bei der nur Ja/Nein Antworten gegeben werden dürfen, z.B. „Sind alle Rechnungen überwiesen?“, „Sind alle Reisekosten abgerechnet?“, „Funktioniert bei allen die Technik?“, „Sind alle Urlaubstage eingetragen?“.

Im dritten Schritt stellt der Moderator oder die Moderatorin (diese Rolle wird in der Stiftung im Wechsel besetzt) die Kennzahlen vor, z.B. „Aktueller Kontostand“, „Neue Facebook-Fans“, oder einmal im Quartal „Summe der Pressemeldungen von uns und über uns“ etc.

Diese ersten drei Schritte nehmen insgesamt keine zehn Minuten in Anspruch.

Als nächster Schritt wird die Projektliste mit im Schnitt ca. 15 Projekten und Initiativen der Stiftung. Besprochen. Der jeweils Verantwortliche berichtet dabei nur zwei Dinge: (A) Was ist neu im Vergleich zum letzten Meeting? und (B) Was ist der konkrete nächste Schritt beim jeweiligen Projekt? Es gibt keine Diskussion und Fragen werden nur dann beantwortet, wenn man das in wenigen Sekunden tun kann. Alles andere kommt auf die Liste der „Klärungspunkte“, dem wichtigsten und spannendsten Teil.

Grundsätzlich können alle Themen, die für das Funktionieren des Tagesgeschäfts wichtig sind, eingebracht und geklärt werden. Allerdings muss der- oder diejenige den Klärungspunkt erläutern und auf die Frage „Wer oder was kann Dir dabei helfen“ eine Antwort formulieren. Klärungspunkte werden zunächst gesammelt und dafür stichwortartig festgehalten, z.B. „Beiratssitzung Catering“, „neuer Laptop Mitarbeiter“ oder „Brainstorming Projekt X“. Erst im Rahmen der Klärung werden Punkt für Punkt die Anliegen konkretisiert und geklärt. Der Fokus liegt immer darin die Punkte einer jeweiligen Klärung zuzuführen, nicht diese bis ins letzte Detail zu diskutieren. Dies kann meist effektiver in anderer Personenzusammensetzung außerhalb des Meetings geschehen.

Am Ende des taktischen Meetings gibt es einen kurzen Check-Out, bei dem das Meeting selbst kurz reflektiert wird. So können alle Beteiligten lernen, wie das Meeting beim nächsten Mal noch effektiver werden kann. Eine Praxis, die in vielen agilen Besprechungsformaten etabliert ist (vgl. bspw. die allerdings deutlich umfangreichere „Retrospektive“ im Projektmanagementframework „SCRUM“) und so Lernen fest verankert.

Eine Unterscheidung zwischen diesen wöchentlichen taktischen Meetings, monatlichen Steuerungsmeetings und halbjährlichen strategischen Meetings hat sich in der Stiftung gut bewährt.

Der Sinn und Zweck wie auch die zu produzierenden Ergebnisse der jeweiligen Zusammenkunft sind so klarer und die Art und Weise, wie die Themen bearbeitet werden (das Format) unterstützt diese. Das wöchentliche Treffen dient der Synchronisierung des Teams und der Klärung wochenaktueller Themen, während das Steuerungsmeeting der Ort ist, an dem die Arbeit organisiert wird, etwa durch das Anpassen von Beschreibungen an neue Aufgabenstellungen.

Auch ein tägliches Stand-Up Meeting, nicht länger als 20 Minuten, kann in stressigen Phasen (zum Beispiel Vorbereitung auf die Branchenmesse Gamescom) hilfreich sein, um sich konzentriert auf den neuesten Stand zu bringen. Ziel sollte immer ein gut funktionierender Informationsfluss sein, der die Basis für produktive Mitbestimmung und verteilte Autorität ist.

Das Klären von Rollen und das Treffen von Entscheidungen

Ein weiterer wichtiger Baustein, der die Selbstorganisation und Agilität in der Organisation unterstützt hat, war die gemeinsame Beschreibung aller für die Arbeit notwendigen Rollen. Jede Rolle wurde konkret mit den entsprechenden Tätigkeiten und Befugnissen beschrieben und aktuell gehalten. In der Stiftung wurde dies initial in drei längeren Terminen gemeinsam mit dem gesamten Team durchgeführt und dann alle Rollen auf die einzelnen Mitglieder verteilt. Alle Rollen und ihre Beschreibungen sind jederzeit online nachlesbar. Die Rollenbeschreibungen folgen dabei der in Abbildung dargestellten Logik. Bei Bedarf können alle Rollen sowie deren zugeordnete Tätigkeiten und Handlungsspielräume angepasst, gelöscht oder auch neue Rollen definiert werden.

Ein Vorteil dabei ist, dass neue Mitarbeiter, Praktikanten und Externe relativ schnell sehen, welche Arbeiten anfallen und welche Person diese in welcher Rolle ausführt. Und: Rollen umfassen ein Aufgabenbündel. Sie können schneller veränderten Bedürfnissen angepasst oder bei Krankheit oder Urlaub unkompliziert an StellvertreterInnen abgegeben werden, da sie anders als Stellen modularer aufgebaut und nicht an feste Stellen gebunden sind.

Im Zuge der Erarbeitung des Rollenkonzepts wurde auch intensiv über Verantwortungen und Entscheidungsbefugnisse gesprochen. Jede Rolle wurde mit Entscheidungsbefugnissen ausgestattet, so dass bis zu einem gewissen Grad (z.B. IT-Rolle darf Entscheidungen über bis zu X Euro selbständig treffen) keine weiteren Absprachen notwendig waren.

Die Projektmanager entscheiden in den meisten Fällen sehr eigenständig über alles, was ihre Projekte angeht. Größere budgetäre oder inhaltliche Entscheidungen wurden entweder schnell nach Rücksprache mit dem Geschäftsführer entschieden oder in einer kurzen Stand-Up Runde gemeinsam im Team. Als dritte Alternative wurde das Thema im oben erwähnten Taktischen Meeting als Klärungspunkt eingebracht und dort darüber entschieden.

Mit diesen sehr schnellen Entscheidungswegen konnte die Stiftung stets zügig agieren und reagieren. Entscheidungswege sind durch Rollenkonzepte und damit verbundene Befugnisse sehr kurz und – auch das ein Vorteil – für alle transparent. Diese Art von Reaktionsgeschwindigkeit und Flexibilität ist es, die angesichts rasanter Marktdynamiken immer entscheidender wird. Diese herzustellen ist nur durch die Verteilung von Autorität und einem hohen Grad an Selbstorganisation möglich.

Um an dieser Stelle noch mit einem hartnäckigen Missverständnis aufzuräumen: Selbstorganisation und Agilität bedeutet nicht Regellosigkeit. Im Gegenteil: klare Regeln und Abläufe schaffen erst die erforderliche Stabilität in der sich agile Selbstorganisation entfalten kann.

Getting Things Done

Manche Methoden wirken auch, wenn nicht das ganze Team diese anwendet. Als letzte Methode soll hier ein Ansatz dargestellt werden, der jeweils beim Individuum ansetzt. Dabei handelt es sich um die Zeitmanagement- und Produktivitätsmethode Getting Things Done® (kurz GTD) des amerikanischen Autors David Allen. GTD bietet einen einfachen Denkprozess, um all die Dinge die sich als mögliche Aufgaben in unserem Leben zeigen – beruflich wie privat – für sich zu reflektieren und deren Bedeutung zu klären. Darüber hinaus bietet der GTD-Prozess (siehe Abbildung) Hilfestellungen, um die daraus resultierenden Verpflichtungen sich selbst oder anderen gegenüber so zu organisieren, dass man stets die Dinge im Blick behält – ohne diese im Kopf halten zu müssen.

Ein konkretes Anwendungsbeispiel aus der GTD-Methode ist die „Leere Inbox“. Der Geschäftsführer hatte drei E-Mail-Postfächer, die er sich am Ende eines jeden Arbeitstages nochmal durchging Bei jeder einzelnen E-Mail setzte er gedanklich ein Prozess in Gang, aus dem nur vier Möglichkeiten resultieren:

  • Mail kommt in den Papierkorb (Mail hat keine Relevanz)
  • Mail muss bearbeitet werden (kommt in den Unterordner „Zu bearbeiten“)
  • Mail muss bearbeitet werden und das dauert unter 1 Minute (wird sofort beantwortet / bearbeitet)
  • Mail muss archiviert werden (wird in entsprechenden Ordner verschoben)

Mit diesen einfachen Regeln war der Posteingang leer und der Kopf jeden Abend von neuem frei und alle wichtigen Aufgaben sicher in einem System (Zu bearbeiten – Ordner) verstaut.

Aus der Anwendung dieser Methode resultiert eine Klarheit in der Aufgabenbewältigung, die auch darauf ausgerichtet ist Stress zu reduzieren und die Resilienz eines jeden einzelnen Teammitglieds zu erhöhen. Wenn Sie an dieser Stelle hellhörig geworden sind, dann suchen Sie nach den Stichwort GTD bei Youtube. Dort finden Sie eine Fülle an informativen Videos. Trainingsanbieter finden Sie im Internet.

Fazit: Was hat funktioniert? Was hat nicht funktioniert?

Dies war eine verdichtete Zusammenfassung verschiedener Tools und Methoden, mit denen in der Stiftung Digitale Spielekultur in den letzten fünf Jahren trotz eines kleines Teams und einer halben Geschäftsführungsstelle erfolgreich zusammengearbeitet wurde und viele mittlere und große Projekte erfolgreich gestemmt werden konnten. Die Stärkung der Selbstorganisationsfähigkeit und das stärkere Teilen von Verantwortung im Team war dabei ein wichtiger Grundstein für Motivation des Teams und Erfolg in den Aufgaben. Nicht alle Methoden wurden bei allen im Team gleichermaßen verinnerlicht oder gelebt, aber insgesamt hat diese Herangehensweise die Dynamik, die Reaktionszeit und die Professionalität der Stiftung deutlich gesteigert.

Dabei war die Einführung solcher Tools und Methoden erfolgreich, die entweder einen unmittelbaren Nutzen hatten oder bei denen sich der Nutzen durch die konsequente Einführung und entsprechendes Veränderungsmanagement im Zeitverlauf gezeigt hat. Es wurde über die hier dargestellten Ansätze hinaus vieles ausprobiert und auch vieles verworfen – ein Ansatz, den Sie so oben auch schon unter dem Stichwort „Prototyping“ kennengelernt haben. Verworfen haben wir beispielsweise einige digitale Zusammenarbeitstools und Prozesse, die für und als Team persönlich und kulturell nicht gepasst haben.

Es wird sich auf jeden Fall etwas ändern, wenn Sie den hier behandelten Themen mehr Aufmerksamkeit schenken. Und die Fragen in der heutigen Zeit muss lauten: Was braucht es speziell im Kontext von Stiftungen, um erfolgreich und flexibel auf die Herausforderungen der Umwelt und Märkte reagieren und kann man sich es als Stiftung heute noch leisten, mit Management- und Zusammenarbeitsansätzen zu arbeiten, die sich meist in der Zeit der industriellen Revolution herausgebildet haben?

Die Autoren

Peter Tscherne war mit einer halben Stelle von 2012 bis 2017 Geschäftsführer der Stiftung für Digitale Spielekultur. Die andere Hälfte seiner Arbeitszeit war er als Berater und Businesspartner im Netzwerk von cidpartners tätig. Nach dem erfolgreichen Aufbau der Stiftung übergibt er die Geschäftsführung nun in neue Hände – diesmal als Vollzeitstelle.

Detlev Trapp ist Gründer von cidpartners, einer Beratung für Organisationsentwicklung. Er unterstützt Organisationen bei der Gestaltung von Prozessen in Strategie, Transformation, Agilität und Führung.

Sebastian Luge ist Berater bei cidpartners. Sein Fokus liegt auf der Stärkung von Veränderungsfähigkeit und der Einführung dynamischer Prinzipien auf Team- und Organisationsebene.

Dank

Ein besonderer Dank gilt Christiane Schneider. Ihre Art und Weise der Gestaltung von dynamischer Zusammenarbeit in Klein- und Großgruppen bildet eine wichtige Grundlage der Arbeit aller Autoren.

Dieser Text ist in finaler Fassung erschienen in: Zukunftsorientiertes Stiftungsmanagement: Herausforderungen, Lösungsansätze und Erfolgsbeispiele“ von Reinhard Berndt (Autor), Peter Kreutter (Autor), Stefan Stolte (Autor), Springer Gabler; Auflage: 1 (25. Juni 2018)

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