Learnings aus dem OKR-Rollout bei der AXA Versicherung

10 praktische Tipps für die Implementierung von OKRs

Tim Hauer, Lisa Dickmanns und Philip Junker im Gespräch mit Julia Zirn und Johannes Burr über Learnings aus dem OKR-Rollout bei der AXA

cidpartners begleitet AXA erfolgreich seit Dezember 2020 bei der Einführung von OKRs in der Gesamtorganisation.

Im folgenden Interview teilen drei AXA-Mitarbeitende ihre Erfahrungen und Tipps: Tim Hauer in der Rolle eines Products Owners & OKR Coachs, Philip Junker als Spezialist für OKRs bei AXA und OKR Coach und Lisa Dickmanns als Führungskraft, Vertrieblerin und OKR-Moderatorin. Das Gespräch führten Julia Zirn und Johannes Burr von cidpartners.

 

Am Ende des Artikels haben wir zehn spannende Kernthesen für die Einführung von und das erfolgreiche Arbeiten mit OKRs zusammengefasst. Ein kleines OKR-Glossar am Ende dieser Seite kann bei der Klärung einiger Fachbegriffe behilflich sein.

 

Johannes (cidpartners): Wir starten gerne mit dem „Warum“. Warum habt ihr euch bei der AXA überhaupt so intensiv mit der OKR-Methodik beschäftigt?

Philip (AXA): An unterschiedlichen Stellen der Organisation gab es in den letzten Jahren immer wieder Berührungspunkte mit dem Thema. Im Rahmen der agilen Transformation der AXA entstand dann der Gedanke, OKRs offiziell und unternehmensweit einzuführen. Mittlerweile haben wir aus dem Transformation- & Development-Bereich einige Teams dabei begleitet und unterstützt, OKRs einzuführen. In nächster Zeit sollen weitere Teams und Bereiche an die Methode herangeführt werden.

Tim (AXA): Als Mitarbeiter des cross-funktionalen aufgestellten Digital Experience Tribes durfte ich bereits vor fast zwei Jahren die ersten Gehversuche mit dem OKR Framework miterleben. Dabei waren OKRs von Anfang gesetzt, um die bereits erwähnte Strategieumsetzung zu verfolgen. Mittlerweile haben wir OKRs an vielen Stellen auch auf Team- und Bereichsebene eingeführt. Zuletzt haben wir in meinem Ressort sogar zum ersten Mal über das gesamte Ressort einen ganzheitlichen OKR Prozess durchlaufen. Das war total spannend. Insbesondere, weil wir dabei auch den Blick darauf gerichtet haben, wie wir alle Teams mitziehen und begeistern können.

Lisa (AXA): Mit der Einführung von OKRs auf Ressortebene stellen sich wieder neue Herausforderungen und neue Fragen. Das finde ich total spannend, weil wir dadurch in eine andere Art von Dialog kommen. Wir setzen uns damit auseinander, was die richtigen Kennzahlen sind und stellen erst mal fest, dass wir vielleicht gar keine haben. Ein spannender Lernprozess! Das ist für mich eigentlich auch das Wesentliche, gerade bei der AXA. Wir erkennen neue Zusammenhänge und Überschneidungen - die Dinge werden einfach unfassbar transparent in einer Art und Weise, wie vor der OKR Einführung nicht denkbar gewesen wäre. Auf Basis dieser Transparenz lässt sich dann tatsächlich auch ein entsprechender Fokus aufsetzen und strategisch herunter skalieren.

Johannes: Vielen Dank! Was ist denn aus eurer Perspektive ein Erfolgsfaktor für die Einführung der OKR-Methodik in einem Team, in einem Bereich, in einer Abteilung?

Lisa: Ich erlebe, dass die Leute am Anfang immer lernen wollen, wie sie gute Objectives und Key Results formulieren, sich aber weniger für den Prozess interessieren. Ich versuche dann zu verdeutlichen, dass OKRs nur dann wirklich wertvoll sind, wenn man in der täglichen Arbeit auch damit arbeitet. Da gehört viel, viel mehr dazu, als einfach nur gute Objectives und gute Key Results zu schreiben. Deswegen ist mein ganz großer Appell: Lieber mehr Zeit auf die Prozess-Definition legen und überlegen, wie man OKRs wirklich nutzen will, anstatt sie perfekt zu formulieren.

Lieber mehr Zeit auf die Prozess-Definition legen und überlegen, wie man OKRs wirklich nutzen will, anstatt sie perfekt zu formulieren

Tim: Ich glaube, man muss dem Prozess Zeit und auch einen gewissen Raum zum Atmen geben. Wir prägen das Motto „Freedom within a framework“ bei jedem Austausch in unserer OKR Community: Seid pragmatisch und nutzt die Methodik so, wie ihr sie braucht und leben könnt. Nur so generiert man den größten Mehrwert!

Seid pragmatisch und nutzt die Methodik so, wie ihr sie braucht und leben könnt

Philip: Bei uns hat es absolut zum Erfolg beigetragen, dass wir uns genügend Zeit geben, die OKR-Rituale vernünftig durchzugehen. Wenn das nicht geschieht, reibt man sich nicht und es entsteht kein wirkliches gemeinsames Verständnis von Zielen. Dann ist das Risiko sehr groß, dass das Ganze nicht fliegt und nicht zu diesen tollen Erfolgserlebnissen führt, wie wir sie jetzt erleben dürfen.

Bei uns hat es absolut zum Erfolg beigetragen, dass wir uns genügend Zeit geben, die OKR-Rituale vernünftig durchzugehen.

Lisa: Und ich glaube, es sind die kleinen Dinge, die den Unterschied machen. Zum Beispiel haben wir einen Eintrag im Kalender, der uns alle zwei Wochen daran erinnert, dass die OKRs und die entsprechende Bewertung (progress level und confidence level) in eine Liste einzutragen sind. Das war ein echter Schlüssel. Ein weiterer Punkt war, dass wir Namen bzw. Verantwortliche hinter die Key Results geschrieben haben (Key Result Owner). Verantwortlich heißt in dem Sinne einfach nur dafür verantwortlich zu sein, alle zwei Wochen eine Zahl einzutragen & festzuhalten, wo wir geradestehen.

Julia (cidpartners): Danke Euch für diese konkreten Tipps und danke auch für eure Erfolgsfaktoren. Gibt es denn auch Dinge, die ihr im Nachhinein vielleicht anders gemacht hättet? Oder Dinge, die ihr vielleicht vorher lieber noch gewusst hättet, um sie dann schon antizipieren zu können?

Tim: Während unserer, bereits erwähnten, ersten Gehversuche mit dem OKR Framework, Mitte 2020, haben wir einen sehr starken Top-Down-Ansatz genutzt. Keine Frage, hatte das gerade zur Anfangszeit auch etwas Gutes für sich. Rückblickend betrachtet, muss ich allerdings sagen, hätten wir sicherlich schneller eine steilere Lern- und Erfolgskurve gesehen, wenn wir mehr der Key Results aus einer Bottom-up-Perspektive betrachtet und angepasst hätten.

Julia: Spannend, ich beobachte auch immer wieder, dass es sich gut einpendeln muss, wie viel Bottom-up und Top-down für den Prozess passend sind.

Philip: Wir hatten ja da bei uns das große Glück, dass wir relativ bald, euch von cidpartners an unserer Seite hatten, so dass wir durch euren Sparring viele Dinge direkt so umsetzen konnten, wie ihr uns das auch empfohlen habt.
Was sich in der Praxis gezeigt hat ist, dass es ein gemeinschaftliches Verständnis in Bezug auf den Grad der Zielerreichung benötigt (scoring). Es war wichtig sicherzustellen, dass alle gleichermaßen verstanden haben, was mit einem Ziel gemeint ist und dass es in der Regel nicht zu 100% erreicht werden muss (stretch goals).

Was sich in der Praxis gezeigt hat ist, dass es ein gemeinschaftliches Verständnis in Bezug auf den Grad der Zielerreichung benötigt

Lisa: Ich tue mich schwer, die Herausforderungen negativ zu sehen. Natürlich machen wir nicht alles richtig. Aber das ist für mich immer nur eine Chance, wieder etwas zu optimieren. Was ich tatsächlich unterschätzt habe ist, wie schwierig es für Stakeholder, Sponsoren, andere Schnittstellen ist, wenn man nicht mehr To Dos oder Aktivitäten formuliert, sondern Outcomes.

Johannes: Was in euren Ausführungen und Antworten durchklingt, ist, dass die Einführung von OKRs nicht nur ein kurzer Sprint ist, sondern anfangs auch viel Mühe mit sich bringt. Was denkt Ihr, warum rechtfertig sich dieser Aufwand aus Eurer Sicht?

Philip: Mir fällt sofort Fokus ein. Nämlich, dass ich nicht den Blick für das verliere, was ich mir vorgenommen habe. Das habe ich in der Art und Weise, wie ich früher gearbeitet habe, doch sehr häufig getan.

Tim: Für mich ist die Transparenz das Schlüsselwort gewesen. Im OKR Alignment Prozess konnten wir zum Beispiel durch den Einsatz der Matching Wall Methodik (Matching Wall Methodik) extrem viel Klarheit und Transparenz zwischen den Teams erzeugen. Das regelmäßig zu tun, ist meiner Meinung nach unglaublich wertvoll für uns.

Lisa: Wir haben einfach Ergebnisse, von denen ich zu 100 % überzeugt bin, dass sie ohne OKRs gar nicht erst da waren, weil der Fokus gefehlt hat. OKRs schaffen Anreize, einen Fokus zu setzen UND gleichzeitig Dinge wegzulassen. Ich erinnere mich gut daran, wie ich mich zum ersten Mal widersetzt habe, etwas zu Tun, mit dem Argument, dass das nicht in meinen OKRs steht und nicht mein Fokus ist. Und das hat funktioniert!

Wir haben einfach Ergebnisse, von denen ich zu 100 % überzeugt bin, dass sie ohne OKRs gar nicht erst da waren, weil der Fokus gefehlt hat. OKRs schaffen Anreize, einen Fokus zu setzen UND gleichzeitig Dinge wegzulassen.

Johannes: Wie war die Reaktion?

Lisa: Das hat funktioniert. Und, um einen zweiten Punkt zu nennen, wir haben ein viel stärkeres Gefühl für KPIs und Zahlen entwickelt, die sich tatsächlich messen lassen.

Philip: Ich hab auch noch so ein Bild im Kopf. Und zwar kennt bestimmt jeder das Gefühl, wie es ist, wenn man an einem richtig gut moderierten und vorbereiteten Termin teilgenommen hat. Arbeiten mit OKRs schafft das Gefühl, dass jeder Touchpoint, wie ein richtig gut vorbereiteter, moderierter Termin abläuft.

Arbeiten mit OKRs schafft das Gefühl, dass jeder Touchpoint, wie ein richtig gut vorbereiteter, moderierter Termin abläuft

Julia: Sehr schöner Aspekt. Ihr drei arbeitet alle in einer Versicherung in agilen Tribe-Strukturen und Lisa, du bist sogar im Vertrieb tätig. Kann OKR hier überhaupt funktionieren?

Lisa: Warum sollte das nicht gehen? Mit Hilfe von OKRs können wir helfen, dass ein Kunde die richtige Absicherung und jemanden an seiner Seite hat, der ihm hilft, wieder auf die Beine zu kommen. OKRs helfen mir, genau dieses Thema immer wieder ins Gedächtnis zu rufen.

Tim: Ich bin da ähnlicher Meinung. Ein Tribe hat einen Auftrag. Ein Tribe arbeitet, anders als ein Ressort, von Haus aus cross-funktional. OKRs ermöglichen dabei die Dinge ganzheitlich zu betrachten. Sie geben uns die Möglichkeit in verschiedene Richtungen, aber im gleichen Sinne nach vorne zu gehen. Genau das entspricht der Natur des Tribes. Von daher funktioniert es wirklich sehr sehr gut, OKRs dort anzuwenden. Ich wüsste gar nicht, welche Methodik oder welches Framework besser zu einem Tribe passen könnte als OKRs.

OKRs […] geben uns die Möglichkeit, in verschiedene Richtungen, aber im gleichen Sinne nach vorne zu gehen

Philip: Wir (HR Ressort – Anmerkung von cidpartners) arbeiten in einer dem Tribe angelehnten Struktur. Wir fokussieren uns darauf, einen Mehrwert für unsere internen Kolleg:innen zu schaffen. Es geht also darum, ähnlich wie im Vertrieb, unsere Kolleg:innen mittels unserer Aktivitäten bestmöglich zu unterstützen. OKRs helfen uns wunderbar, regelmäßig zu reflektieren, welchen Wert wir schaffen. Wir sind auf jeden Fall sehr dankbar, dass wir es ausprobiert haben, und ich kann mir kaum vorstellen, dass wir OKRs irgendwann nicht mehr nutzen.

OKRs helfen uns wunderbar, regelmäßig zu reflektieren, welchen Wert wir schaffen

Julia: Vielen Dank für das inspirierende Gespräch!

LEARNINGS AUS DER OKR-EINFÜHRUNG BEI AXA: ZEHN SPANNDE KERNTHESEN FÜR DIE EINFÜHRUNG VON UND DAS ERFOLGREICHE ARBEITEN MIT OKRS

  1. Lieber mehr Zeit auf die Prozess-Definition legen und überlegen, wie man OKRs wirklich nutzen will, anstatt sie perfekt formulieren zu wollen
  2. Seid pragmatisch und nutzt die Methodik so, wie ihr sie braucht und leben könnt
  3. Es ist erfolgskritisch, dass man sich genügend Zeit für die Durchführung der OKR-Rituale nimmt
  4. Es empfiehlt sich, Verantwortlichkeiten für das Eintragen und Festhalten von Progress- und Confidence Level zu vereinbaren
  5. Was sich in der Praxis gezeigt hat ist, dass es ein gemeinschaftliches Verständnis in Bezug auf den Grad der Zielerreichung benötigt (scoring).
  6. Arbeiten entlang der OKR-Methodik schafft Fokus und hilft dabei, nicht den Blick für das zu verlieren, was man sich vorgenommen hat
  7. OKRs helfen uns wunderbar, regelmäßig zu reflektieren, welchen Wert wir schaffen
  8. Die OKR-Methodik gibt uns die Möglichkeit, in verschiedene Richtungen, aber im gleichen Sinne nach vorne zu gehen
  9. OKRs schaffen Anreize, einen Fokus zu setzen UND gleichzeitig Dinge wegzulassen
  10. Arbeiten mit OKRs schafft das Gefühl, dass jeder Touchpoint, wie ein sehr gut vorbereiteter, moderierter Termin abläuft

PRACTICE WHITEPAPER #04
OKR-Einführungen erfolgreich gestalten

EINE INTEGRALE BETRACHTUNG

von Julia Zirn

 

  • Lernen Sie, welche Herausforderungen ein OKR-Einführungsprozess mit sich bringt.
  • Erkennen Sie, wieso die OKR-Einführung ganzheitlich betrachtet werden sollte.
  • Erfahren Sie, was sich hinter OKR Plus verbirgt und warum der Ansatz für Ihr OKR-Projekt zielführend ist.
  • Analysieren Sie Ihren OKR-Einführungsprozess ganzheitlich und leiten daraus konkrete Handlungsempfehlungen ab.

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KLEINES OKR GLOSSAR

progress level zeigt den erreichten Fortschritt der OKRs an und wird in jedem OKR-Check-In (idealerweise zweiwöchentlich) aktualisiert

confidence level zeigt an, wie zuversichtlich das Team ist, das OKR zu erreichen. Wir empfehlen, das Confidence Level nach der Ampellogik abzufragen: grün=wir sind sehr zuversichtlich, das Ziel zu erreichen; orange: wir sind teilweise zuversichtlich, rot=wir sind nicht zuversichtlich, das Ziel zu erreichen. Auch das confidence Level wird idealerweise zweiwöchentlich aktualisiert.

Key Result Owner: Nach der Formulierung der OKRs ist es sinnvoll, Owner für die Key Results zu definieren. Der/die Key Result Owner hat NICHT die Aufgabe, das Key Result alleine zu erreichen. Vielmehr ist der/die KR Owner dafür verantwortlich, den Fortschritt im Blick zu behalten und dafür zu sorgen, dass die Aufgaben, die hinter dem KR stehen, erledigt werden.

stretch goals: Im OKR Framework werden Ziele ambitioniert gesetzt, d. h. Teams setzen sich innovative, schwer erreichbare Ziele, die nur mit großer Anstrengung erreicht werden können. Mit ambitionierten Zielen soll das Team ermutigt werden, groß zu denken und neue Lösungswege zu entwickeln. Wichtig ist dabei, dass die Nichterreichung eines Stretch Goals nicht sanktioniert wird. Im Gegenteil, im Zentrum steht, gemeinsam zu lernen und zu verstehen, was in diesem Zyklus nicht funktioniert hat, um die Lösungsstrategie im nächsten Zyklus zu verbessern.

scoring: Methodik für Fortgeschrittene OKR-Nutzer:innen.

OKR Alignment Prozess: Der Alignment Prozess ist das Herzstück des OKR-Ansatzes. In dieser Phase des Zyklus werden die von den Teams formulierten OKRs horizontal aligned, also abgestimmt. Hier gibt es unterschiedliche Prozesse. Das Alignment kann dezentral und asynchron ablaufen oder auch in einem zentralen Workshop, in dem Vertreter:innen aller Teams zusammenkommen und sich über ihre Ziele austauschen.

Matching Wall Methodik: In einem zentralen Alignment-Workshop ist die Matching-Wall Methodik ein tolles Tool. Ziel ist es, die Teams mit Alignment-Bedarfen miteinander ins Gespräch zu bringen und Fragen zu klären. Dafür dürfen sich die Teams selbstorganisiert zusammenfinden in einzelnen Zeitslots zuordnen. Beispielsweise sprechen Team A und Team B im Zeitslot von 10:00-10:20 miteinander. Ebenso sprechen Team D und Team C in diesem Slot miteinander. Die selbstorganisierte Zuordnung geschieht über die Matching Wall, das funktioniert auch über Miro sehr gut.