Tools und Techniken für gute Entscheidungen

CidPodcast zum Nachlesen: Reihe CidPractices, #Folge 02

Wäre es nicht wunderbar, wenn sich mit ein paar Techniken das Treffen von Entscheidungen vereinfachen ließe? Bitte sehr: Anne Vier und Theresa Brambach stellen sofort umsetzbare Methoden und Tools vor, die persönliche und unternehmerische Entscheidungsfindung erleichtern.

Anne: Theresa, was stellen wir konkret vor?

Theresa: Wir unterscheiden zwischen Tools und Methoden für Einzelpersonen und für Teamprozesse. Bei den Einzelentscheidungen wäre das etwas, das ich alleine entscheide und es anschließend meinem Team mitteile. Bei Teamentscheidungen geht es darum, andere Expert:innen oder das Kollektiv schon in den Prozess der Entscheidungsfindung mit einzubeziehen. Anne, was für Methoden haben wir denn in petto?

TOOLS UND METHODEN FÜR EINZELENTSCHEIDUNGEN

UNTERLASSENE ENTSCHEIDUNG IST AUCH EINE ENTSCHEIDUNG

Anne: Fangen wir mit drei Impulsen zum Oberthema „Frage Dich selbst“ an. Da ist der erste Schritt zu erkennen, dass eine unterlassene Entscheidung auch eine Entscheidung ist. Gerade bei einer sehr großen Auswahl, zum Beispiel bei der Fülle von Angeboten, wie wir sie im Supermarkt vorfinden, tendieren wir Menschen dazu, die Entscheidung zu unterlassen oder aufzuschieben. Dieses Phänomen nennen wir in der Psychologie „paradox of choice“. Zwei Psychologen haben dazu das so genannte „Marmeladenexperiment“ in einem Supermarkt durchgeführt. Dabei zeigte sich, je größer das Angebot, desto schwerer fiel es, eine Entscheidung zu treffen und die Menschen gingen tatsächlich häufig bei diesem Experiment ohne Kauf aus dem Supermarkt. Wenn Du das auf Deinen Arbeitsalltag überträgst, dann wird deutlich, wie fatal es sein kann, keine Entscheidungen zu treffen. Eine nicht gekaufte Marmelade ist eine Bagatelle, aber im Arbeitsleben können hinausgezögerte Entscheidungen zu verpassten Chancen führen oder dazu, keine Verantwortung zu übernehmen.

WAS KÖNNTE SCHLIMMSTENFALLS PASSIEREN, WENN DU DIE ENTSCHEIDUNG TRIFFST?

Ein weiterer Impuls zum Thema liegt in der Frage: Was könnte schlimmstenfalls passieren, wenn Du die Entscheidung triffst? Oder: Was könnte geschehen, wenn Du keine Entscheidung triffst, wenn die Zeit für Dich entscheidet oder statt Dir jemand anderes die Entscheidung trifft? Mit den Antworten auf diese Fragen kommt man meist schon einen Schritt voran.

WIE DENKE ICH IN ZEHN MINUTEN, IN ZEHN MONATEN UND IN ZEHN JAHREN ÜBER DIESE ENTSCHEIDUNG?

Dritter Impuls ist die Regel: „Zehn Minuten, zehn Monate, zehn Jahre“. Sie stammt von Suzy Welch, einer Wissenschaftsjournalistin. Es geht darum, sich selbst zu fragen, wie ich selbst in zehn Minuten, in zehn Monaten und in zehn Jahren über eine Sache denken werde. Das ist sehr hilfreich, weil ich damit in kurzfristige, mittelfristige und langfristige Perspektiven wechsle.

Beispiel: Du sollst eine Programmiersprache lernen, was Du kurzfristig als unangenehm empfindest, aber langfristig, in zehn Jahren, wirst Du extrem davon profitieren. Nehmen wir noch ein völlig anderes Beispiel: Kurzfristig ist es für Dich wichtig, bei der Wahl Pizza oder Pasta die richtige Speise zu wählen. In zehn Monaten hast Du das vergessen und in zehn Jahren erst recht.

MACH EINE PAUSE, BEVOR DU EINE WICHTIGE ENTSCHEIDUNG TRIFFST

Theresa: Dazu fällt mir noch ein weiterer Impuls ein, der wie eine Binse klingt und doch oft so wertvoll ist: Mach einfach eine kurze Pause. Gerade für Kopfmenschen kann es sehr wertvoll sein, sich damit aus dem Autopiloten zu holen, Abstand zu gewinnen, am besten auch räumlich mit einem Spaziergang oder sogar die bewährte eine Nacht über eine Entscheidung zu schlafen. Was dann passiert ist, dass wir eben nicht mehr aktiv bewusst über diese Entscheidung nachdenken, sondern wir gehen ins Fühlen, ins Unbewusste. Wer auf diese Art eine Entscheidung nicht nur analytisch trifft, sondern auch das System Emotionen einbezieht, entscheidet im besten Sinne „mit einem guten Gefühl“ und holt sich einen erweiterten Zugang zur eigenen Entscheidung.

Dieses Vorgehen schützt auch vor Heuristiken und kognitiven Verzerrungen. (Darüber haben wir im Podcast CidConcepts zum Thema Entscheidungen ausführlich gesprochen.)

Wenn Du beispielsweise kurz zuvor fast von der Straßenbahn erfasst worden wärst und Dein Adrenalinspiegel enorm hoch ist, dann willst Du anschließend sicher keine riskante Entscheidung treffen. Daher ist es so lohnenswert, wenn ich trainiere, genauer hinzuschauen, woher die eigene Reaktion gerade kommt und die Entscheidung nochmals zu überdenken.

TOOLS UND METHODEN FÜR TEAMENTSCHEIDUNGEN

Anne: Und wie sieht es aus, wenn ich mit anderen zusammen entscheide oder andere hinzuziehe? Welche Tools und Methoden gibt es dafür?

Theresa: Der erste Tipp dazu lautet, abgeleitet von „Frag‘ Dich selbst“: „Frag‘ andere“. Wenn ich in einem Gebiet noch nicht so viel Erfahrung habe, kann es natürlich sehr hilfreich sein, sich bei einem Expert:innen Rat zu holen und ihn oder sie in den eigenen Entscheidungsprozess mit einzubeziehen. Im Gespräch werden viele Dinge schnell klarer.

Ein Beispiel: Stell Dir vor, Du bist in einem sehr hierarchischen Unternehmen mit sehr festen Strukturen und Ihr habt beschlossen, Ihr wollt mehr mit flacheren Hierarchien arbeiten, mehr selbstorganisiert. Ihr wisst aber nicht, wie das gut gelingt.

KONSULTATIVEN EINZELENTSCHEID – IM GESPRÄCH WERDEN VIELE DINGE SCHNELL KLARER

Dafür haben wir eine ganz spezifische Methode, den Konsultativen Einzelentscheid. Dabei gibt es vier Schritte des Entscheidungsprozesses:

Schritt 1: Entscheidungskriterien formulieren

Dazu werden vier Kriterien definiert:

  • Wer ist von der Entscheidung betroffen?
  • Was soll entschieden werden?
  • Wer soll die Entscheidung treffen?
  • Welche Personen müssen vor der Entscheidung konsultiert werden?

Schritt 2: Entscheidende Person wählen und bevollmächtigen

Dabei ist wichtig, dass die entscheidende Person per Konsent gewählt wird.

Anne: Genau, nicht der Konsens, sondern Konsent. Ich erkläre das mal kurz:

Beim Konsens diskutieren wir in der Regel so lange, bis alle Beteiligten einem Vorschlag aktiv zustimmen. Das kann natürlich auch mal zu Endlosdiskussionen führen. Beim Konsent fragen wir stattdessen bewusst, ob jemand einen Einwand gegen den Vorschlag hat und ihn deshalb aktiv ablehnt.

Theresa: Genau. Ein für die Methode sehr wichtiger Unterschied. Kommen wir zu:

Schritt 3: Entscheidungsprozess

Die entscheidende Person konsultiert alle, die sie als hilfreich und notwendig erachtet, um deren Sichtweisen in die Entscheidung zu integrieren.

Schritt 4: Bekanntgabe der Entscheidung

Die entscheidende Person stellt ihre Entscheidung vor, inklusive:

  • aller Optionen, die sie erwogen hat und
  • aller Expert:innen, die befragt wurden und
  • warum schließlich die Entscheidung so fiel.

So wird für alle transparent, wie sie vorgegangen ist und wie der Prozess verlief.

Anne: Muss der Entscheider oder eine Entscheiderin immer eine Person sein, oder können es auch mehrere sein?

Theresa: Bei dieser Methode ist es tatsächlich ein Entscheider oder eine Entscheiderin, der oder die per Konsent gewählt wurde und stellvertretend entscheidet. Diese Methode kann für ganz unterschiedliche Themen genutzt werden: Für die Veränderung von Rollen, bei Gehaltsfragen oder für Innovationen. Das Besondere ist, dass unterschiedliche Perspektiven vereint werden und so eine hohe Entscheidungsqualität erreicht wird. Das erhöht auch die Akzeptanz.

Konstruktiver Einzelentscheid - Entscheidungsmethode für Teams
Entscheidungsmethode für Teams

Konsultativer Einzelentscheid

Nutzen | Setting | Tipps | Wie funktioniert´s

TETRALEMMA METHODE - ENTSCHEIDUNGSSZENARIOS AUS EINER ÜBERGEORDNETEN PERSPEKTIVE

Anne: Kommen wir zu einer weiteren Methode, bei der es darum geht, wirklich gemeinsam zu entscheiden. Mit der „Tetralemma-Methode“ lässt sich der Blickwinkel ändern, um eine neue Lösung zu finden.

Theresa: Jeder von uns kennt Situationen, in denen wir uns in einem klassischen Dilemma befinden.

Zum Beispiel wenn es darum geht, eine neue Position im Unternehmen zu übernehmen. Die Position bringt mehr Verantwortung und ein besseres Gehalt, aber ich muss in eine andere Stadt ziehen. Wenn ich auf die Position verzichte kann ich in der Stadt bleiben, meine Position ändert sich zwar nicht, aber ich kann meinen Freundeskreis und mein Umfeld behalten. Aber der Verzicht auf die Position ist auch keine wirklich gute Lösung.

Keine Option erscheint wirklich erstrebenswert und ich brauche einen Ausweg aus diesem Dilemma. Hierfür bietet die das Tetralemma eine Erweiterung an. Es sind insgesamt vier Denkrichtung und nicht nur zwei. Es ist also wie ein Kompass, wenn es darum geht schwere Entscheidungen zu treffen, um sich ganze Szenario aus einer übergeordneten Perspektive anzuschauen. In unserem Beispiel hatten wir ja schon zwei Felder ausgefüllt, die beiden „Pole setter“. Und dann geht es darum, weitere Perspektiven einzunehmen. Anne, hast Du noch ein Beispiel dazu?

Anne: Ja.

Seit der Pandemie denken wir ja viel mehr darüber nach, wie viel Büropräsenz überhaupt nötig ist und hinterfragen, wie wir künftig zusammenarbeiten wollen. Die eine Position dazu ist rein virtuelles Arbeiten, also gar keine Büropräsenz mehr, alles remote. Die gegenteilige Seite, also der andere „Pole“ wäre zurück zur alten Welt: ein reiner Präsenzmodus. Neben diesen beiden „100-Prozent-Lösungen“ gibt es ja weitere Optionen, die beides enthalten können. Das wäre ein hybrides Arbeiten mit einem Anteil virtuell und einem Präsenzanteil – festgelegt auf 40/60 oder 50/50 oder bestimmte Tage in Präsenz. Das wäre das dritte Feld. Und dann gibt es ja noch das vierte Feld, das eine völlig andere Lösung verlangt. In unserem Beispiel könnte das sein, dass die Teams ganz flexibel selbst entscheiden und sich organisieren, wie sie arbeiten wollen. Die Verantwortung liegt also im Team.

Eine Etscheidungsmethode für Einzelpersonen und für Teams
Entscheidungsmethode für Einzelpersonen und für Teams

Tetralemma

Nutzen | Setting | Tipps | Wie funktioniert´s

 

Theresa: Und lässt sich das Tetralemma noch erweitern?

Anne: Ja. Ich kann im nächsten Schritt mich fragen, wie eine Lösung aussieht, wenn ich alles auf den Kopf stelle, wenn ich eine völlig neue Überlegung einbeziehe. Das könnte in unserem Beispiel die Idee sein, im Metaverse zu arbeiten, also in digitalen Konferenzräumen, in denen sich die Kollegen und Kolleginnen als Avatare begegnen. Das könnte auch eine spannende Option sein.

Theresa, Du hast ja einen Artikel zu diesem Tetralemma geschrieben, für alle, die das Thema vertiefen möchten.

Theresa: Wir kennen natürlich noch viele weitere Methoden, Entscheidungsprozesse voranzubringen, aber an dieser Stelle belassen wir es bei den vorgestellten Techniken und wünschen viel Spaß beim Ausprobieren.

Möchtest Du mehr über Entscheidungen, Theorien, Forschung dazu und Hintergründe erfahren?

Dann lies‘ unseren Beitrag aus unserer neuen Reihe CidConcepts.

Hast Du Fragen oder Themenwünsche für den nächsten Podcast? Dann schreib uns bitte eine Mail: info@cidpartners

 

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