»3x2« im Gepäck

Interview mit Marc Solga, Managing Partner bei cidpartners

Seit Mai 2021 gehört Marc zum Gesellschafterkreis von cidpartners. Er war zuvor als Professor für Wirtschaftspsychologie und als Partner einer Beratungsfirma für Assessment und Führungskräfteentwicklung tätig. Wir sprechen mit ihm über seine Erfahrungen zum Thema Leadership Development und über das »3x2« Leadership Framework.     

Vor Kurzem hast Du das Netzwerk von cidpartners erweitert. Welche neuen Perspektiven bringst du ein? Auf welche Themen können sich unsere Kunden und Kooperationspartner freuen

Ich habe in den letzten Jahren viele Projekte gemacht, in denen es um Führungskräfteentwicklung ging. Anlass und Kontext waren fast immer Transformationsprozesse. Aufgabe war es, Führungskultur zu verändern, hin zu mehr Engagement, Empowerment, Innovationskraft und Agilität. Ich habe Programme mit sehr komplexen Lernarchitekturen entwickelt, mit einer engen Verknüpfung von Training, strukturiertem Feedback aus dem Arbeitsalltag, Entwicklungsaufgaben, individuellem Coaching, Assessment-Center-Methoden und so weiter. Typischerweise für Führungskräfte mit sehr viel Erfahrung und großen Verantwortungsbereichen, also für Leute, die einen schon mal herausfordernd anlächeln und dann sagen „Nun zeig Du mir mal was Neues“. In diesen Projekten sind viele innovative Ideen entstanden für die inhaltliche und für die methodische Ausgestaltung anspruchsvoller Leadership-Programme. Die meisten Projekte waren international, also gespickt mit interkulturellen Herausforderungen.

Das ist das, was ich im Rucksack habe. Und die Zukunft? Ich will dazu beitragen, Organisations- und Führungskräfte-Entwicklung stärker und konsequenter miteinander zu verzahnen, um positiven Wandel nachhaltig zu fördern. Unser Claim »integrating perspectives« lässt ja auch so verstehen: Gut verzahnt auf allen Ebenen spielen – Organisation, Team, Individuum – um Veränderungsprozessen Kraft zu geben. Und natürlich will ich, dass wir noch mehr internationale Projekte machen. 

Was schätzt du persönlich am cidpartners-Netzwerk? Was ist das Besondere daran?

Lust, zu lernen, zu experimentieren, Neues auszuprobieren – das ist ein starker gemeinsamer Nenner aller cidpartners. Dann der wertschätzende und respektvolle Umgang mit Menschen und Systemen. Bei cid gibt es eine authentische systemische Grundhaltung, das finde ich wunderbar. Und drittens die Diversität, die wir im Netzwerk auf ganz vielen Ebenen haben. Ich kann mir kein professionelles Netzwerk vorstellen, welches das Versprechen, integrativ und ko-kreativ zu arbeiten, glaubwürdiger einlösen könnte. 

Wie kam es dazu, ein neues Leadership-Modell, also »3x2« zu entwickeln? Gibt es nicht bereits genug davon?

Ja, es gibt ja sogar so viele, dass man den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr sieht. Deshalb wollte ich mit dem Modell die Vielzahl der Ansätze und Handlungsempfehlungen, die wir aus der Führungsforschung und aus guten Entwicklungsprogrammen kennen, in einer kohärenten, aber praxisnahen Form zusammenzufassen.  

Die Idee dafür ist entstanden, als ich in Vorlesungen gefragt worden bin, ob man die vielen Führungskonzepte nicht in einem Modell kombinieren könne. Die Forschung hat sich stets auf einzelne Führungsstile oder Facetten konzentriert oder diese in ihren Wirkungen miteinander verglichen, ohne die Ansätze ganzheitlich zusammenzubringen. Deshalb wimmeln da so viele Schlagworte durch die Köpfe und Diskussionen. Aber wie die zueinander passen, ist den meisten völlig unklar. Mit »3x2« wollte ich Führungskräften eine Landkarte an die Hand geben und auch vermitteln, was Landkarten in uns erzeugen – das Gefühl von Draufsicht und geschlossener Form, in einem einzigen Bild das große Ganze sehen. 

Mit »3x2« wollte ich Führungskräften eine Landkarte an die Hand geben und auch vermitteln, was Landkarten in uns erzeugen – das Gefühl von Draufsicht und geschlossener Form, in einem einzigen Bild das große Ganze sehen.

Wie verträgt das Modell den Umzug aus der Vorlesung in die Praxis bzw. Organisationen?

Komplexe Theorien einfach darzustellen und brauchbar zu machen für die Praxis, andere anzustecken mit der eigenen Begeisterung – das sind Herausforderungen, dich ich spannend finde. Ich denke, das kann ich ganz gut, weil’s mir eben Spaß macht. Ich bin auch überzeugt davon, dass das ein ganz wichtiger Erfolgsfaktor in Trainings ist, Teilnehmer authentisch für Themen und Inhalte zu begeistern.

WIE NUTZT DU »3X2« IN DER ENTWICKLUNG VON FÜHRUNGSKRÄFTEN GANZ KONKRET?

»3x2« lässt sich wunderbar nutzen, um die Themen und Inhalte eines Entwicklungsprogramms festzulegen. Das Modell funktioniert wie ein vorstrukturierter Skizzenblock, es spannt Möglichkeitsräume auf, die man mit Kunden ausgestalten kann, bedarfs- und strategieorientiert. Für jede der sechs Führungspraktiken existieren außerdem abgestimmte Sets aus Leitmodellen, Guidebooks, Tools, Best Practices, Lernaktivitäten. Das sind die Bausteine der Trainings und Entwicklungsprogramme. Damit ist »3x2« nicht nur die konzeptuelle Basis, es ist der Werkzeug- oder Setzkasten, auf den ich zurückgreife.

Gibt es ein aktuelles Lieblingsbuch, dass Du Führungskräften empfehlen würdest?

Ach, da fallen mir viele ein. Darf ich zwei nennen, die ich gerade gelesen habe? Beide von Psychologen und sehr bekannten Wissenschaftlern. Zuerst Adam Grant. Ihm auf LinkedIn zu folgen, wäre unbedingt eine Empfehlung. Sein neues Buch heißt »Think again« und beschäftigt sich damit, wie es gelingen kann, kritisch und selbstkritisch zu denken bzw. umzudenken und ein solches Denken zu fördern. Wenn man das auf organisationale Lern- und Innovationsprozesse bezieht, wird das sehr relevant. Grant beschreibt zum Beispiel den sogenannten Dunning-Kruger-Effekt. Das ist ein Forschungsbefund, der sagt, dass Menschen umso stärker glauben, etwas kompetent beurteilen zu können, wie sie in Wirklichkeit ahnungslos sind. In Diskussionen begegnest Du ja häufig Leuten, deren Klarheit und Selbstsicherheit Dich einschüchtern. Dann fühlst du dich ganz schwach und denkst: „Ach, hätte ich diese Meinungsfreude und Schlagfertigkeit“. Ich habe jetzt eine Zauberformel dagegen: „Meinungsfreude – das ist zuerst einmal ein Beleg für totale Ahnungslosigkeit“.

Meine zweite Empfehlung ist »Good habits, bad habits« von Wendy Wood. Das ist die vielleicht einflussreichste Gewohnheitsforscherin. Ein Buch darüber, wie wir schlechte Gewohnheiten abstellen und produktive Gewohnheiten entwickeln können. Grunderkenntnis: Schlechte Gewohnheiten überwinden geht nicht mit Vorsatz und nicht mit Belohnung und Bestrafung. Das funktioniert nur mit Stimuluskontrolle. Heißt: Du musst die auslösenden Bedingungen für die Gewohnheit beseitigen. Deshalb ist das Rauchverbot so erfolgreich. Also: Fernseher abbauen, Apps löschen, Handy abends in diesen Tresor einschließen, der sich erst morgens wieder öffnen lässt. Ich überlege schon eine Weile, wie sich das Thema „Gewohnheiten formen“ in Führungstrainings einbauen lässt

Was ist eine Empfehlung, die Du Führungskräften immer wieder gibst?

Da gibt es auch wieder viele. Weil Führungskräfte häufig sagen, sie wüssten zwar, dass Bindung fördern wichtig ist, dass sie aber nicht die Zeit dafür hätten, lautet eine Empfehlung, die ich häufig gebe: 3x2. Achtung, nicht verwechseln mit dem Leadership Framework, hier geht es um Minuten pro Woche für positiven Kontakt, für Begegnungen mit Mitarbeiter, in denen es gilt, positive Aufmerksamkeit zu geben, Präsenz und Wertschätzung erlebbar zu machen. Für das Erleben von Sympathie, Vertrautheit und Bindung ist nämlich die Häufigkeit des positiven Kontakts entscheidend. Außerdem wissen wir, dass es bei positiven Beziehungen ein Vielfaches mehr an positiven Kontakten denn an negativen gibt. 3 mal 2 sind 6. Bei 10 Mitarbeitern macht das 60 Minuten pro Woche, also bloß eine Stunde. Zusatzempfehlung: Nicht alles auf den Freitagnachmittag legen.

Für das Erleben von Sympathie, Vertrautheit und Bindung ist die Häufigkeit des positiven Kontakts entscheidend.

Gibt es ein konkretes Erlebnis aus Deinen Projekten, das für dich besonders ist und das lange nachgewirkt hat?

Ich erinnere mich an eine ganz surreale Woche in Shanghai. Ich war da in einem Industriegebiet und weit und breit war nichts. Ich sollte dort den Führungskräften beibringen, wie Coaching geht. Das war ein ausdrücklicher Wunsch des Geschäftsführers, eines Engländers. Meine Teilnehmer waren ausschließlich Chinesen. Wir haben schnell gemerkt, dass das westliche Verständnis von Coaching – also: offene Selbstreflexion fördern durch kraftvolle Fragen – sehr kulturgebunden ist und dass wir in China ein anderes Modell brauchen. Wir haben dann gemeinsam mitten im Training einen Coachingprozess entwickelt, der besser passt. Das war kokreative Konzeptentwicklung im Training. Das war total spannend. 

Wir haben auch einige erlebnisorientierte Übungen gemacht. Die Teilnehmer haben es geliebt zu spielen. Das war immer ohrenbetäubend laut, ein Höllenlärm, natürlich alles auf Chinesisch. Ich habe nichts verstanden, gar nichts. Von draußen kamen neugierig immer mehr Leute rein, die mal kucken wollten was hier los ist. Oder kuckten durchs Fenster. Hotelgäste und das komplette Hotelpersonal, Köche inklusive. Immer ganz schnell ein riesiges Publikum. 

Auch nachts habe ich auf eine sehr besondere Weise kommuniziert, nämlich mit meinen Kindern. Weil ich im Jetlag war, konnte ich nicht schlafen. Im Fernsehen gab‘s nur chinesische Sender, also habe ich Spotify gehört. Und meine Kinder haben in Deutschland auch Spotify gehört, bei denen wars nachmittags. Weil wir nur einen Account hatten, haben wir uns immer wechselseitig blockiert. Irgendwann hatte ich das verstanden. Dann habe ich denen absichtlich immer „Bibi und Tina“ abgedreht und sie mir im Gegenzug meine Musik. --- Also, diese ganze Reise war ein großer surrealer Spaß. Und auch ein Kick fürs Selbstvertrauen. Hinterher habe ich gedacht: Jetzt haut mich nichts mehr ums. 

Dr. Marc Solga, geboren 1972 in Hamburg, Diplom-Psychologe, ist seit Mai 2021 Mitgesellschafter der cidpartners GmbH. Von 2008 bis 2015 war er Professor für Kompetenz- und Personalentwicklung an der Fakultät für Psychologie der Ruhr-Universität Bochum. Von 2013 bis 2020 war er Partner und Geschäftsführer einer Beratungsgesellschaft für Assessment, Führungskräfteentwicklung und HR Excellence. Zahlreiche Publikationen, u.a. „Praxishandbuch Personalentwicklung“ (2005, 2009, 2011) und „Jobinterviews professionell führen“ (2018). Marcs Arbeitsschwerpunkte sind Führungskräfteentwicklung, Organisationsentwicklung und HR-Transformation.

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Kunden schätzen Marc Solgas Fähigkeit, offen und wertschätzend an unterschiedlichste Stakeholder und Subsysteme anzukoppeln. Sein liebstes Spielfeld ist die Entwicklung von Führungsteams im Kontext organisationaler Transformationsprozesse.

Marc Solga

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