KONSENTBASIERTE ENTSCHEIDUNGSPROZESSE

KONSENTENTSCHEID. YOUTUBE VIDEO VON SEBASTIAN LUGE ZUM NACHLESEN, REIHE CIDPRACTICES

Ihr kennt es bestimmt: Euer Team hat eine Entscheidung zu treffen, aber Ihr findet keine gemeinsame Lösung. Immer wieder dreht Ihr Euch im Kreis und letztlich einigt Ihr Euch auf einen Kompromiss, mit dem eigentlich keiner wirklich zufrieden ist. Doch dafür gibt es eine Lösung: Den Konsententscheid. Was es mit dem Konsententscheid auf sich hat und wie Ihr diesen Entscheidungsprozess selbst umsetzen könnt, erfahrt Ihr hier.

EFFIZIENTE ENTSCHEIDUNGEN TREFFEN – ABER WIE?

Jeden Tag trefft Ihr jede Menge Entscheidungen. Dass Euch dabei Entscheidungen auch mal schwerfallen können, habt Ihr bestimmt schon erlebt.

So verhält es sich auch in Organisationen: Entscheidungen lassen sich im Team nicht immer reibungslos treffen. Oftmals dreht sich das Team immer wieder im Kreis oder trifft einen Kompromiss, mit dem eigentlich keiner wirklich zufrieden ist. Daher ist es sehr hilfreich zu verstehen, wie Organisationen überhaupt Entscheidungen treffen.

Entscheidungsträger - Wer entscheidet was?

Zunächst sollte Euch klar sein, auf welche Weise Euer Team Entscheidungen trifft.

Manchmal lassen sich Fragen ganz einfach klären und Lösungen beschließen. So kann es z. B. einen einzigen Entscheidungsträger geben und es bedarf keines Entscheidungsfindungsprozesses. In anderen Umständen entscheiden die Teammitglieder zwar demokratisch, aber die Zukunft ist vorhersagbar und alle Informationen sind vorhanden. In einem solchen Fall ist der sogenannte Konsensentscheid, bei welchem alle Mitglieder einstimmig dem Vorschlag zustimmen, unproblematisch.

HILFREICHE FRAGEN ZU EUREN ENTSCHEIDUNGSPROZESSEN

Hier sind ein paar Fragen, die euch dabei helfen herauszufinden, wie Ihr Entscheidungen als Team trefft:

  • Entscheidet Ihr nach einfacher Mehrheit?
  • Sind Entscheidungen einstimmig zu treffen?
  • Wann gilt eine Entscheidung als getroffen?
  • Wie moderiert und dokumentiert Ihr einen Entscheidungsprozess?

Oft treten jedoch Komplexität und Uneinigkeit auf das Spiel und die Teammitglieder sind sich über die ideale Lösung uneinig. Es kommt zu endlosen Diskussionen, die im schlimmsten Fall mit einem faulen Kompromiss enden.

Genau hier setzt ein erprobtes Prozess-Tool an, welches Euch vor allem bei komplexen Fragestellungen ermöglicht, zügig zu effizienten Entscheidungen zu kommen: Der Konsententscheid bzw. der Machbarkeitsentscheid.

EIN EINSTIMMIGER ENTSCHEIDUNGSVORSCHLAG AUF WIDERRUF

Doch was ist der Konsententscheid? Der Konsententscheid stammt ursprünglich aus der Soziokratie, findet aber auch in anderen agilen Rahmenwerken – etwa der Holakratie – Verwendung. Das Europaparlament nutzt in Ausschüssen ähnliche Prozesse und auch Vereine können erfahrungsgemäß mit diesem Prozess zum Beispiel Satzungsänderungen beschließen.

Die Kernidee des Konsententscheids

Nachdem Ihr die verfügbaren Informationen hinsichtlich des Entscheidungsprozesses betrachtet habt, wählt Ihr jenen Vorschlag, gegen den es keine relevanten Einwände gibt. Das Ganze läuft unter der Annahme, dass Ihr die Entscheidung bei neuen Informationen jederzeit revidieren könnt. Diesen Prozess erkläre ich Euch im Folgenden Schritt für Schritt:

DER WEG ZUM KONSENTENTSCHEID IN SECHS SCHRITTEN

Schritt 1: Vorschlag und Informationen präsentieren

Zunächst präsentiert Ihr den Vorschlag und alle Informationen. Dabei macht Ihr den Entscheidungsbedarf und die Spannung dahinter transparent. Somit sollen alle, die an einer Entscheidung beteiligt werden sollen, die entsprechenden Hintergründe kennen. Durch den vorhandenen Vorschlag zeigt sich bereits, dass jede Person bei einem Entscheidungsbedarf in die Lösungsfindung miteingebunden wird.

Schritt 2: Verständnisfragen klären

Im zweiten Schritt klärt Ihr Verständnisfragen. Hier ist es wichtig, dass alle Beteiligten den Vorschlag und die dahinterliegende Spannung verstehen. Dabei geht es noch nicht darum, die eigene Meinung zum Vorschlag zu äußern. Dies sollte ein:e Moderator:in auch entsprechend unterbinden.

Schritt 3: Reaktionen sammeln

In der dritten Runde äußern alle Beteiligten ihre Reaktion zum Vorschlag. Hier ist alles erlaubt: Ihr teilt alle Meinungen und nutzt Eure gesamte kollektive Intelligenz.

Schritt 4: Reaktionen verarbeiten

Jene Person, die den Entscheidungsbedarf aufgezeigt und den Vorschlag gemacht hat, kann auf diese Reaktionen eingehen, indem sie weitere Erläuterungen macht oder den Vorschlag abändert. Die Person kann aber auch mit dem ursprünglichen Vorschlag fortfahren und diesen zur Entscheidung bringen. Dabei ist es wichtig, nicht mehrere Entscheidungsbedarfe zu vermischen. Wenn Ihr zu viel auf einmal versucht, dann wird es zu komplex.

Schritt 5: Begründete Einwände abfragen

Nun wird nach begründeten Einwänden gefragt. Ein begründeter Einwand ist nur ein solcher, der nachweislich aufzeigt, dass durch den Vorschlag etwas Negatives passiert. Es geht nicht darum, sämtliche Einwände wegzuwischen, sondern darum herauszufinden, wo bloß persönliche Meinungen im Weg stehen und wo es tatsächlich sachliche Einwände gibt.

Wenn es keine Einwände gibt, dann gilt der Vorschlag als angenommen. Diesen solltet Ihr an einer passenden Stelle dokumentieren.

Schritt 6: Begründete Einwände integrieren

Sollten Beteiligte relevante sachliche Einwände äußern, dann werden diese schrittweise und nacheinander integriert. Dies bedeutet: Die Beteiligten ändern den Vorschlag kleinteilig im Dialog ab, sodass sich die Einwände sukzessive auflösen.

DER KONSENTENTSCHEID - ENTSCHEIDUNGSFINDUNG LEICHT GEMACHT

Vielleicht werdet Ihr am Anfang die Erfahrung machen, dass sich dieser Prozess ungewoht und starr anfühlt, aber keine Sorge: Ich habe bereits in vielen Teams erlebt, wie scheinbar unlösbare Themen mithilfe des Konsententscheids in kürzester Zeit entschieden wurden.

Zweifelsohne ist es hilfreich, wenn ein:e Moderator:in diesen Entscheidungsprozess moderiert. Aber auch ohne Moderator:in möchte ich Euch einladen, mit dem Prozess zu experimentieren und zu prüfen, ob Ihr damit Entscheidungen in Eurer Organisation effizienter treffen könnt. Aus meiner Sicht lohnt es sich sehr!

Probiert es einfach aus und erzählt uns etwas über Eure Erkenntnisse. Wir teilen auch gerne unsere Erfahrungen dazu und tauschen uns zu verwandten Themen aus.